(Di. 15.5.) Ich bin um 7 Uhr aufgestanden, um in Ruhe im Hostel zu frühstücken bevor ich abgeholt werde. Meike sitzt bereits im Bus mit dem wir bei der Agentur noch zwei Amis einsammeln. Um 8:30 Uhr geht’s los. Wir haben Huaraz noch nicht verlassen, da beginnt zwischen den letzten Häusern bereits die Schotterpiste. Man könnte meinen, dass es nicht weit ist, weil es der nächstgelegene Berg ist, trotzdem fahren wir volle zwei Stunden auf dieser schlechten Piste bergwärts. Durch einen sehr engen Taleingang hindurch, an hohen Wänden vorbei, fahren wir bis auf eine Höhe von 4100 Meter. Am Talschluss sind beeindruckende Eiswände und Hängegletscher zu sehen. Die sich anschließende Materialverteilung war wenig koordiniert, ja sogar caotisch. Außerdem lief alles ziemlich unpersönlich ab. Einer der drei Jungs war der Koch – so mutmaßten wir – wer, wussten wir nicht und auch nicht, wie sie heißen.
Kurz vor 11 Uhr beginnen wir den Zustieg und zwar ausgesprochen gemächlich. Die Amis preschen vor, als gäbe es was zu gewinnen. Der Weg ist gesäumt von wunderschönen, bunten Bergblumen. Nach einer Stunde machen wir an einem Felsüberhang eine 20 minütige Pause, weiter oben nochmal eine und erreichen ganz gemütlich nach 2:15 Stunden das auf 4800m gelegene Camp Alto. Das Zelt, welches ich mir mit Meike teile, ist netterweise schon aufgebaut. Wir trinken Tee und essen etwas aus der Vespertüte, welches sie uns am Parkplatz gegeben hatten.
Während die Amis ausschwirren und ein Stück aufzusteigen, räumen wir das Zelt ein, um uns anschließend reinzulegen. Es ist jedes Mal aufs Neue faszinierend zu beobachten, was auf großer Höhe mit dem eigenen Körper passiert: man liegt in der Horizontalen und kann aufgrund des klopfenden Herzens erst einmal nicht schlafen, sondern nur ruhen und dösen. Dann gibt es erst einmal ein Gewitter, welches sich im wahrsten Sinne des Wortes ordentlich gewaschen hat, mit grellen Blitzen und lautem Donner. Nur von einer dünnen Zeltplane von diesem Naturspektakel getrennt, sind wir mitten drin, statt nur dabei. Es fängt an zu graupeln und bald geht der Graupel in Schnee über.
Als wir mal rausspicken, ist es ringsherum schon weiß und noch etwas später müssen wir den Schnee von der Zeltwand klopfen, weil diese von der Last bereits nach innen gebogen werden. Nachdem das Gewitter abgeklungen ist, kann ich dann auch etwas schlafen. Eigentlich hätte es um 17 Uhr Abendessen geben sollen, aber aufgrund des schlechten Wetters haben die Jungs das Kochen wahrscheinlich etwas verschoben. Um 17 Uhr 30 klopft einer ans Zelt und reicht uns eine sehr leckere Suppe herein.
Danach krabbeln wir raus, um den zweiten Gang – die Spaghetti mit Tomatensoße, Gemüse und etwas Hühnchen – draußen im Stehen zu essen. Der Himmel bietet eine herrliche Wolkenkulisse mit einer sagenhaften Beleuchtung. Die unterschiedlichsten Grautöne in Kombination mit Orange bis Braun schaffen eine unheimliche, fast bedrohliche Stimmung. Um 19 Uhr liegen wir wieder in der Falle. Aber ich kann Ewigkeiten nicht schlafen, weil erst einmal die Füße kalt sind und mein pumpendes Herz mich vom Schlafen abhält.
(Mi. 16.5.) Gipfeltag Vallunaraju: Auf dieser Tour war auch nichts mit Weckservice wie wir das von anderen Touren gewohnt waren, sondern wir mussten uns schön selbst den Wecker stellen. Um 1:30 Uhr gibt es Frühstück. Einer der Amis schmiert mir netterweise ein Marmeladen Brötchen und dann ging es auch schon bald los. Der Start kurz nach 2 Uhr war leider wieder total unpersönlich, denn die Guides samt Amis sind schon los, obwohl Meike noch nicht richtig fertig war, weil sie noch kein warmes Wasser hatte. Nach einer guten halben Stunde waren wir am Gletscher. Bevor ich mir die Steigeisen unter die Schuhe schnalle, ziehe ich noch eine meiner Isolierschichten an den Beinen aus. Heute ist es so warm, dass Leggins plus ¾ lange PowerStretch-Hose einfach zu viel ist. Die ganze Tour – Auf- wie Abstieg – gehe ich mit den dünnen Handschuhen.
Die Amis gehen mit Jose schonmal los und sind noch keine 2 Meter gegangen, da hat sich der Ami, der gestern besonders schnell aufgestiegen war, das Frühstück wieder durch den Kopf gehen lassen. Auch den weiteren Tag über musste er sich noch mindestens dreimal übergeben, zumindest haben wir dies mitgekriegt; manchmal waren sie aber auch weit vor uns. Trotzdem hat er sich bis zum Gipfel hoch geschafft. Zwischendurch hat sich Meike ganz schön schwer getan, zumindest dort, wo es durch viel losen Schnee ging und man nicht richtig Tritt bekam, sondern wieder zurückrutschte. Einmal mussten sogar aufsteigende Tränen durch gutes Zureden wegmotiviert werden. Nachdem sie sich berappelt hatte, biß sie sich – unterbrochen von regelmäßigen Verschnaufpäuschen – sehr tapfer bis zum Gipfel durch.
Außerdem war das Gehtempo super ruhig, was nicht bedeutet, dass das Gehen auf dieser Höhe völlig unanstrengend ist. Aber für mich war es eben nicht so anstrengend, wie die Touren in Bolivien, als Nelson sich an mein Tempo angepasste. Für meine Füße war es heute sogar fast etwas zu langsam. Sie waren immer so an der Grenze: wenn wir gegangen sind, war es ok bzw. haben sie sich wieder etwas aufgewärmt. Aber sobald wir stehen geblieben sind, ist die Kälte von den Zehen in den Fuß gekrochen. Kurz vor dem Sattel habe ich mir die Daunenjacke angezogen, in der Hoffnung, dass die überschüssige Rumpfwärme in die Füße wandert. Als die Schwärze der Nacht dem anbrechenden Tag wich, boten sich bereits im Aufstieg sensationelle Ausblicke.
Punkt 7 Uhr also nach fünfstündigem Aufstieg waren wir am Gipfel oder in Zahlen auf 5686m. Noch schöner als der Gipfelerfolg über diesen 4. 5000er während meiner Reise, ja fast ergreifend, waren Meikes Freudentränen. Nach ihrem gescheiterten Besteigungsversuch am Misti und den heutigen Mühen, konnte sie es kaum fassen tatsächlich am höchsten Punkt zu stehen. Überglücklich bedankte sie sich für mein reges Gutzureden und die moralische Unterstützung, was mich doch ein klein wenig stolz machte. Bei super Sonnenwetter genießen wir die fantastische Aussicht: Das Santa-Tal mit Huaraz im Rücken blicken wir auf die zahlreichen Schneegipfel der Cordillera Blance, die sich in ihrer Eindrücklichkeit gegenseitig den Rang ablaufen.
Herausragend nicht nur im Wortsinn, sondern auch aufgrund seiner Massivität, ist der Huascaran – mit 6768m der höchste Berg dieses unbeschreiblich schönen Teils der Anden und der höchste Südamerikas. Der Versuch uns während unserer halbstündigen Gipfelrast an dem atemberaubenden Panorama satt zu sehen, war von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Auch unsere Fotos können die unbeschreibliche Schönheit nur eingeschränkt wiedergeben. Heute bewölkt es sich früher als gestern; von der Amazonasseite her ziehen in der Ferne Wolken heran.
Um 7:30 Uhr traten wir den Abstieg an, erreichten bereits zwei Stunden später das Gletscherende und waren noch mal ein paar Minuten später so gegen 9:45 Uhr wieder am Hochlager. Wir wurden zwar mit einer Suppe empfangen, aber mit hinlegen und etwas ausspannen war leider nicht besonders viel, denn die Amis machten sich bereits auf den Weg nach unten. Ich habe mich trotzdem gleich ins Zelt verkrümelt, so dass es zumindest für ein paar Minütchen reichte. Es war inzwischen ziemlich zugezogen als wir den Abstieg antraten. Gefühlt zog er sich endlos und war ziemlich anstrengend, denn durch den Schnee bzw. Regen ist alles sehr matschig und rutschig. Obwohl von oben einsehbar ist, dass noch kein Auto zur Abholung bereit steht und wir uns Zeit lassen, finde ich mich einmal tatsächlich auf dem Hosenboden sitzend wieder. Trotz aller Gemütlichkeit, brauchen wir nur gute eine Stunde.
Vor wenigen Stunden noch am Gipfel, sitzen wir Punkt 12 Uhr bereits wieder im Auto und werden bis Huaraz dank der mega Holperstrecke ordentlich durchgerüttelt. Da Meike nicht genau weiß, ob sie heute noch weiterreist, verabschieden wir uns am Oficina der Agentur. Zurück im Hostel, genieße ich die warme Dusche und liege 14:30 Uhr im Bett. Eigentlich wollte ich mir einen eineinhalb stündigen Erholungsschlaf gönnen, aber bereits nach einer ¾ Stunde war ich wieder putzmunter – offenbar hab ich die Tour sehr gut weggesteckt. Gegen 17 Uhr bin ich runter in den Ort, um bei i-Peru zu fragen wer außer Cruz del Sur noch mit bequemen Cama-Sitzen nach Lima fährt. Ich gehe bei Cial vorbei und kauf mir ein Nachtbusticket für den 22.5.. Anschließend gehe ich ins Café Andino und bestelle lecker Schokokuchen und Kaffee. Ich bekam Nachricht von Meike, dass sie nun doch in Huaraz bleibt. In diesem Fall wollten wir zusammen Abendessen. Noch immer finden sich auf der Karte des Café Andino leckere Speisen, die wir dort noch nicht gegessen haben. Um 22 Uhr werden wir raugeschmissen und eine gute halbe Stunde später liege ich bereits im Bett.