Samstag, 11. Februar 2012

Buenos Aires - urbane Vielfältigkeit

In vier Tagen Buenos Aires sieht und erlebt man so viel, dass ich hier nur ein paar Sachen herausgreifen möchte. Bewußt spreche ich nicht von Highlights, weil das in Bezug auf negative Erlebnisse und Eindrücke ziemlich schräg klingt. Denn neben schönen, ästhetisch perfekten Dingen, gibt es auch viel Armut, Schmutz und Verfall.

Klein und unscheinbar ist das Stadtmuseum, dessen aktuelle Ausstellung alte Spielzeuge zeigte. Genau das Richtige für mein derzeitiges spanisches Sprachniveau! Z.B. entdeckte ich "das häßliche Entlein" auf Spanisch. Nachdem der Museumsangestellte sehr eifrig erfragt hatte, woher ich komme, zeigte er mir stolz die beiden Merklin Eisenbahnen und den deutschen Steinbaukasten von 1890. Auch die original alte Apotheke am Eck ist ein echtes Kleinod!


Die geführte Besichtigung im Teatro Collon kostete zwar mehr als zwei Nächte im Hostel, ist aber absolut lohnenswert. Ein echter Prunkbau dessen Hallen mit unterschiedlichstem Marmor aus ganz Europa ausgestattet sind. Leider ist gerade Spielpause, sonst hätte ich versucht die legendäre Akustik dieses Saales bei einem Konzert zu erleben. Zumindest oben in der "Chicken box" - so werden die Stehplätze im fünften Rang genannt - wäre doch hoffentlich eins der etwa 2.500 Tickets kurzfristig verfügbar gewesen.

Ein weiteres außen wie innen wirklich schönes Gebäude die Casa Rosada - der Präsidentenpalast. In welchem anderen Land kann man diesen besichtigen? Man stelle sich vor, man könne einfach so durchs Weiße Haus schlendern und sogar noch den Präsidentenaufzug, -balkon und -saal betreten.
Ein absolutes Muss - und das zu Recht - ist der Friedhof in Ricoleta. Monumentale Grabmäler und Mausoleen dicht an dicht auf aller engstem Raum mitten in der Stadt. Wie auch sonst im Stadtbild reicht auch hier die Spanne von prachtvoll gepflegt bis heruntergekommen.
Gut gefallen hat mir das Museo de Bellas Artes de La Bocca im gleich-namigen ehemaligen Hafenviertel. Es zeigt viele Gemälden des berühmten argentinischen Malers Benito Quinquela Martin, der hier mehrere Jahre lebte und dessen Werke sehr lebendig das Leben und Arbeiten in diesem Viertel darstellen. Ich bin ja sonst nicht so der Galerien-Fanatiker,
aber diese ausdrucksstarken Bilder, die direkt am Ort des Geschehens entstanden sind, haben mich insbesondere durch ihre Authentizität beeindruckt.
Der Tango hat Buenos Aires viele Pluspunkte eingebracht; sowohl der Schnell-Kurs mit anschließender Show aber insbesondere der Straßentango in La Bocca. Obgleich die Gassen um El Caminito touristisch hergerichtet sind, hat es etwas hier herumzuschlendern.


Das Multikulti-Viertel San Telmo hat einen ganz eigenen gemütlichen Flair und hebt sich damit positiv vom hektischen City-Treiben hab. Bei meinem Sonntagsspaziergang hab ich den Flomarkt auf der Plaza Dorego besucht. Da ich weder der Trödel-Fan bin, noch gewillt war weiteren Reise-Balast zu erwerben, habe ich mich mehr für die Menschen hinter den Verkaufsständen interessiert. Am besten hat mir der "Hühnermann" gefallen.

Wo Licht ist, ist auch Schatten! Gebäudefassaden verkommen, Gehwege sind kaputt (man muß aufpassen, dass man sich nicht den Fuß bricht, während man nach oben schaut) und sind mit Tretminen gepflastert. Das U-Bahn-System funktioniert anders als bei uns. Mit einem Ticket kann man so oft umsteigen, wie man will, solange man innerhalb des Systems bleibt. Erst wenn man raus und wieder rein geht, muß man einen neuen Fahrschein lösen. Dies begünstigt das Betteln in U-Bahnen und Pendlerzügen. Es kann gut sein, dass man nur sechs Stationen fährt und dabei drei fliegenden Händler erlebt, die von Buntstiften über Haargummis bis hin zu Chips oder Keksen so ziemlich alles verkaufen. Meistens sind es Kinder im süßen Alter von sechs oder sieben, die schon echt hart arbeiten müssen und vermutlich die gesamten langen Sommertage in den U-Bahnröhren verbringen.

Ich hab wirklich viel in Buenos Aires gesehen und meine neu gekauften Wanderhalbschuhe sind jetzt definitiv gut eingelaufen. Am größten war jedoch die olfaktorische Vielfalt, leider fast ausschließlich negativer Art. Da ich ja selbst das ganze Jahr mitten in städtischer Hektik lebe, zieht es mich nun ganz klar Richtung Natur.