Sonntag, 1. April 2012

Valparaiso - bunt, schrill, anders



Valparaiso ist sowas von an den Hang geklatscht, unglaublich. Wobei "den Hang" eigentlich falsch ist, korrekterweise müßte ich schreiben "die Hügel". Es sollen 42 sein - gezählt hab ich sie nicht. Nach einem gemütlichen Frühstück - es saßen fast nur Deutsche am Tisch - hatte sich auch der Morgendunst verzogen, so dass einem Spaziergang durch die Hafenstadt nichts mehr im Wege stand.


Zunächst ging es mit einem jungen Pärchen in Richtung des "Mercado Puerto", der seit dem Erdbeben 2010 leider geschlossen ist. Aber das Viertel drumherum ist noch sehr ursprünglich und besticht mit seinem morbiden Charme. Und natürlich fahren wir mit einem der historischen Aufzüge, von denen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 30 Stück die verschiedenen Hügel hinauf und hinunter ratterten, heute sind allerdings nurnoch vier in Betrieb. Von dort oben haben wir einen tollen Ausblick auf den Hafen und die gesamte Bucht. Um die Mittagszeit besuche ich in der sehr schönen Iglesia San Pablo ein kostenloses Orgelkonzert mit Bach, Haydn und etwas Modernem. Schön mal wieder klassischer Musik zu lauschen.

Anschließend spaziere ich auf der Avenida Alemania bis zum Haus von Pablo Neruda. Die Strasse schlängelt sich immer auf einer Höhe bleibend dem Hang entlang. Dabei ergeben sich immer wieder neue schöne Ausblicke auf die bunt bemalten Häuser, die teilweise wie Schwalbennester am Hang kleben. Es gibt wirklich viele pittoreske Ecken mit interessanten Wandmalereien. Nicht umsonst wurde Valparaiso von der UNESCO 2003 zum Kulturerbe der Menschheit erklärt.

Obwohl es bereits das zweite Neruda-Haus ist, das ich besuche, bin ich erneut beeindruckt. Er liebte es Dingen Namen zu geben. So nannte er z.B. seinen Sessel "Wolke" mit der er übers Meer schwebte. Überhaupt liebte er das Meer, die Wellen und die Seefahrt, hat aber nie auch nur einen Fuß auf ein Schiff gesetzt. Dafür sammelte er Gallionsfiguren, alte Seekarten, Gemälde mit Schiffen oder baute seine Häuser mit steilen schmalen Treppen, die denen im Innern eines Schiffes ähneln. Sein Haus beschrieb er einmal als sein "Spielzeug" mit dem er spielt. Gemeint war damit, dass wenn er eine neue Idee, so setzte er diese um, änderten sich seine Ansprüche, so bedeutete dies ebenfalls einen Umbau. Man kann die Kuriosität dieses Menschen garnicht adäquat beschreiben. In seinem Arbeitszimmer hängt beispielsweise ein kunstvoll bemaltes Waschbecken, das nie angeschlossen wurde - ein echter Spinner eben.

Wie sauber es eigentlich in der Hauptstadt Santiago war, merkte ich erst jetzt, als ich meine Aufmerksamkeit leider nicht ungeteilt den Häusern und Gassen widmen konnte, sondern auch sehr aufpassen musste, dass mir beim Hundehaufen-Slalom keinen Fehltritt unterläuft. Mal ganz abgesehen von der damit verbundenen olfaktorischen Belästigung.

Am Busterminal vorbei, in dem ich mir für morgen früh ein Ticket nach Mendoza kaufe, setze ich meine Erkundungstour bis zur Mohle fort. Dort genießen knutschende Paare und junge Familien den Sonntagnachmittag - schrecklich. Als meine Füße gegen halb sieben platt wie Flundern waren, ließ ich mich von einer netten Dame in das richtige Collectivo setzen. Sie gab dem Busfahrer Bescheid, wo er mich rauswerfen sollte und mir noch den Tipp, den Stadtplan besser nicht wegzupacken wenn ich über den Platz laufe, damit ich nicht gleich als Touristin auffalle. Valpo - so wird der Name der Stadt abgekürzt - ist bekannt für seine Entreißungsdiebstähle.

Als ich im Hostal auf dem Bett sitze und tippe, klappert plötzlich das Schloss meines abschließbaren Schranks. Die Erde wackelt mit 4,irgendwas - so die Einschätzung der Hostalmitarbeiterin. Immerhin habe ich es doch noch erlebt, nachdem ich das Erdbeben vorgestern Nacht in Santiago, das angellich über 5 auf der Richterskala war, schlichtweg verschlafen hatte. Durchschnittlich wackelt es in der Gegend um Santiago rum ungefähr alle zwei Wochen mal.

Ein sehr passender Abschluss war mein abendliches Essen gehen. Da die ursprüngliche Empfehlung zu hatte, ging ich kurzent-schlossen in das Ecklokal gegenüber. Eine sehr gute Wahl - in netter, gepflegter Atmosphäre aß ich zum ersten Mal das für die chilenische Küche sehr typische Ceviche, weches hauptsächlich aus geschnittenen, rohen, in Zitronensaft marinierten Fischstückchen und Zwiebeln zubereitet wird.