Samstag, 21. April 2012

Von Unaussprechlich, via Nirgendwo in die Abgeschiedenheit

Oder übersetzt in Orts-, Dorf- und Weilernamen: von Humahuaca mit dem Bus zur Endhaltestelle Iruya auf dem Altiplano und zu Fuß bis San Isidro.


Man könnte meinen eine dreistündige Fahrt durch die Puna in der es nichts zu sehen gibt außer Steine, Staub und ein paar trockene Grasbüschel sei langweilig, aber weit gefehlt. Die Fahrt an sich war ein Abenteuer: der Bus muß insgesamt drei Flüsse durch-queren. Nicht irgendwelche Rinnsale oder Bäche, sondern schon mitten durchs Flussbett mit nicht wenig Wasser und dicken runden Wackern. Außerdem hat er sich von 3000m von auf 4000m hinaufgeschraubt und auf der anderen Seite über sehr steile und schmale Sträßchen und Kehren wieder hinunter. Unterwegs hab ich noch eine Herde Vicunias gesehen. Es ist heiß, aber weil die Strasse sehr staubig ist und sonst alles ins Innere des Busses ziehen würde, bleiben die Fenster geschlossen.

In the middle of nowhere haben wir dann mal angehalten, weil einer der Herren der Schöpfung gefragt hat, ob man mal einen Pinkelstopp machen könnte. Daraufhin sind drei ausgestiegen; für Frauen war das jedoch keine Option. Beim nächsten Stopp auf der Passhöhe waren ein paar Felsen in der Nähe - meine Chance. Damit sich die Weiterfahrt nicht unnötig verzögert, hab ich die paar Meter zurück zum Bus locker gejoggt, wurde aber sofort mit Kurzatmigkeit bestraft, was mich daran erinnert, dass ich mich auf 4000m befinde.

Fast pünktlich kam ich in Iruya an. Hier galt es irgendwo den großen Rucksack deponieren zu können, um mit leichtem Gepäck nach San Isidro zu wandern. Die Jugendherberge hatte dafür leider keinen Platz, aber in einem Hostel, was mir die Betreiberin des Humahuacasa empfohlen hatte, war es gar kein Problem. Ich kramte also ein paar Sachen für eine Nacht zusammen, füllte meine Wasserflaschen auf und fragte die Dame des Hauses nach dem Weg. Sie riet mir, ein zweites paar Schuhe mitzunehmen, weil die ersten bei den Flußquerungen naß werden würden. Davon hatte ich im Internet schon gelesen, also hängte ich mir noch meine Flipflop an den kleinen Rucksack. Auch in der Touristeninfo, an der ich zufällig vorbei kam, fragte ich nochmal. Denn die Erfahrung meiner Reise zeigt, je öfter fragen, desto besser, weil die Infos nicht immer die aller besten sind. Nachdem der Herr mich darüber informiert hatte, dass er für die Touristeninfo "Iruya" arbeite, was seiner Meinung nach nichts mit dem Weg nach San Isidro zu tun hat, erklärte er mir dann doch recht genau, wo es lang geht. Dabei war von Flußquerungen keine Rede mehr, aber von zweimaligem Ausweichen. Also mal sehen, ich bin gespannt und stapfe kurz vor 15 Uhr los.


Erst geht es etwas das Haupttal abwärts, dann links in ein Seitental in dem auf 3000m San Isidro liegt. Der einzige Zugang zu diesem Nest ist dieser Eselspfad, den ich entlang wandere. Die Landschaft ist herrlich!! Glühend rote, sehr steile, canyonartige Sedimentaus-waschungen ringsum - ein wirklich ursprüngliches Tal. Erst seit zwei Jahren stört eine Stromleitung dieses Idyll. Später sollte ich mich dann an den Vorzügen der Elektrifizierung dieses Örtchens erfreuen, nämlich bei einer beulerbeheizten warmen Dusche und nicht schon um 20 Uhr im Dunkeln sitzen zu müssen.

Ich wandere also im Flussbett aufwärts. An der ersten Stelle, an welcher der Fluss sich der Felswand nähert, kann ich seitlich durch-schlupfen und bin auch froh drüber. Denn der Fluss ist zwar nicht besonders breit, hat aber doch eine ordentliche Fließgeschwindigkeit. Nach ungefähr einer Stunde - es ist immer noch sehr heiß - mache ich im Schatten ein Päuschen. Danach begegne ich zwei Touristen, die seit dem Dorf von einem Hund begleitet werden. Wir unterhalten uns kurz und als ich weitergehe, schließt sich der Hund mir an. Unerwarteterweise habe ich jetzt doch einen Guide, der immer ein Stückchen vorläuft, um mir zu zeigen wo es lang geht und dann wieder auf mich wartet. Sein Fell ist ungefähr bis zur Körpermitte nass. Hoffentlich heißt das nicht, dass ich doch noch den Fluss queren muss.


Wir kommen an einem großen aus Steinen gelegten Pfeil vorbei, der unmißverständlich den Hang hinauf deutet. Mein vierbeiniger Begleiter läuft jedoch achtlos, ja sogar zielstrebig daran vorbei und weiter dem Flussbett entlang. Als ich kurze Zeit später um die Ecke biege, ist es soweit. Der Fluss trifft auf die Felswand und der Hund steht bereits bis zum Bauch im Wasser und schaut mich erwartungs-voll an. Nass im Flussbett zu liegen ist ja nicht so schlimm, aber mir fällt spontan mein Laptop und das Handy ein, die ich im Rucksack habe. Ich entschließe mich zur Umkehr, um trockenen Fusses das steile Ufer hinauf dem Pfad zu folgen.


Kurz nach 17 Uhr habe ich das kleine Örtchen erreicht und frage mich zur empfohlenen Hospedaje Teresa durch. Das Zimmer, in dem vier Betten stehen hat eine Tür und ein Fenster. Fensterglas Fehlanzeige, was soll's wenn man die Fensterläden, die nach innen aufgehen, schließt, ist auch zu. Ich muss mich noch ein halbes Stündchen gedulden, dann kann ich eine zwar etwas tröpfelnde, aber richtig schon warme Dusche geniessen, in einem erstaunlich neu gefließten Bad, von dem sich so manches der letzten Stadthostels etwas abschneiden kann. Übernachtung 25 Pesos und Halbpension auch nochmal 25, also alles für unter 10 Euro.


Beim Frühstück erzählt Teresa von einer Nachbarin, die 15 Kinder zur Welt gebracht hat - alle als Hausgeburt und ohne ärztliche Unterstützung versteht sich. Und dann erzählt sie weiter, dass diese Frau dann nochmal 5 weitere Kinder mit einem anderen Mann hatte, das letzte mit 48 Jahren. Aufgrund des hiesigen Katolizismus tippe ich mal darauf, dass der erste verstorben ist.



Als ich den Rückweg antrete komme ich an drei Bauern vorbei, die gerade eine Ziege häuten. Eine Stunde vorher hat sie wahr-scheinlich noch gelebt. Nach gut 2 Stunden bin ich wieder in Iruya, habe also noch genügend Zeit in aller Ruhe durch die schmalen Gassen hinauf zum Aussichtspunkt zu spazieren und dem auf der anderen Seite des Flusses gelegenen Teil des Dorfes einen Besuch abzustatten. Gestärkt mit ein paar in einer Garage frisch zubereiteten Empanadas steige ich 13 Uhr ins Collectivo, welches sich mühselig die 33 Kehren bis zur Passhöhe auf 4000m hinaufschraubt und dabei einmal sogar zurücksetzen muss.

In Humahuaca kaufe ich mir direkt das Ticket für die Weiterfahrtnach Tilcara und komme mit nur einer halben Stunde Wartezeit 17 Uhr weiter. Diesmal hat der Bus weder unten drin einen Laderaum, noch einen Dachgepäckträger. Die Rucksäcke werden im Innenraum hinter dem Fahrer gestapelt - öfter mal was Neues; Flexibiltät ist bei einer solchen Reise absolut Pflicht.

In Tilcara war ich eigentlich einzig und allein ausgestiegen, um das in meinem Reiseführer gelobte archäologische Museum zu besichtigen. Als ich zehn vor Sechs am Eingang stand, mußte ich feststellen, dass es leider schon in wenigen Minuten schließt und nicht wie in meinem Reiseführer angegeben erst um 19 Uhr. Mist! Immer wenn ich einen auf Kultur machen will - so scheint mir - stehe ich vor verschlossenen Pforten. Nachdem ich wenigstens einen kurzen Blick in die Dorfkirche geworfen habe deren Dachkonstruktion aus Kakteenholz ist, weiß ich wozu mein Zwischenstop in Tilcara gut war. Ich treffe Marga und Arnoud wieder mit denen ich am Aconcagua gewandert war und in Mendoza die Weintour gemacht hatte. Beim schnellen Bier bis zu meiner Busabfahrt nach Pumamarca stellen wir fest, dass wir morgen im selben Bus nach San Pedro de Atacama sitzen - was ein Zufall.

19 Uhr in Pumamarca steuere ich das erstbeste Hostel an - belegt! Noch auf der Treppe des Hostels stolpere ich in eine Portena (d.h. ein Mädel aus Buenos Aires), die auf der Suche nach einer Unterkunft bereits fünf Adressen erfolglos abgeklappert hat. Tja, es ist die Osterwoche in der auch die Argentinier unterwegs sind. Zusammen gehen wir zur kapazitätsstärksten Bleibe im Ort und bekommen das aller letzte Zimmer. Als wir kurz drauf auf Futtersuche durch die Gassen schlendern, werden wir wiederholt von Backpackern angesprochen, die immer noch auf der Suche nach einem Bett sind. Manchmal muss man eben auch Glück haben.