An Bord:
Es ist schon fast Mitternacht als es eine kleine Ansprache von unserem Animateur und Ansprechpartner-für-alles gibt. Danach geht es im Gänsemarsch zur "Evangelistas" - ein Cargoschiff, welches 2001 für die Aufnahme von Passagieren angepasst wurde. Ich dachte erst es sei ein Scherz, dass allerlei 4-beiniges Viehzeug mit an Bord sein würde, aber nein. Ich zählte bestimmt fünfzehn LKW-Auflieger mit Rindern, Schafen und sogar Pferden. Und auch die gesamte Fahrt über sollte es auf dem Hinterdeck stets sehr ländlich vom Laderaum her riechen. Während wir Europäer die Tiere bedauern, weil sie mehrere Tage zuzammengepfercht ausharren müssen, haben die Chilenen dazu eine ganz andere Sicht der Dinge: Sie sagen, diese Tiere haben es gut, denn die Fahrt mit dem Schiff ist der schnellste Transport; nur mit dem LKW sind sie viel länger in dieser misslichen Lage.
Skua-Gletscher und Delfine:
Meinen Wecker hatte ich auf 7 Uhr gestellt, weil wir - pünktliches Ablegen um 5 Uhr vorausgesetzt - um diese Zeit die Estrecho de Kirk durchfahren sollten. Die engste Stelle der gesamten Reise ist nur 80m Breite. Das Schiff hat 23m und eine Länge von 123m. Als es klingelt, tuckert das Schiff so ruhig vor sich hin, daß ich meinte wir befänden uns bereits in der Langsamfahrt und wären schon mitten in der Meeresenge. Als ich rausflitze war davon nichts zu sehen, dafür sah ich hinter uns gerade noch die Lichter von Puerto Natales. Ein Crew-Mitglied sagte mir, dass wir erst 40 Min. zuvor aus dem Hafen ausgelaufen sind, also über eine Stunde Verspätung haben.
Erst dachte ich: "Ach was, ich bleibe wach und genieße die Aussicht". Aber mit genießen war da nicht viel, denn es war kalt, windig und regnerisch mit entsprechend schlechter Sicht. Also bin ich zumindest zum Weiterdösen doch nochmal bis 8:25 Uhr in die Koje. So satt und ruhig, wie der Kahn auf dem Wasser liegt, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, dass das auch mal anders ist und man den Seegang durchaus zu spüren bekommt. Es regnet draußen - ich zieh alles an inkl. Regenhose, Mütze und Handschuhe. Die Meerenge Kirk war schnell passiert. Am beeindruckendsten war die Ströhmung, die sich sichtbar um ein kleines Inselchen herum teilte. Als Entschädigung fürs Nasswerden, gibt es einen Regenbogen.
Nach dem Frühstück bleibe ich gleich für die obligatorische Sicherheitsunterweisung sitzen. Um den restlichen verregneten Vormittag wird der wirklich sehr niedliche Film "Arctic Tail" gezeigt. Nach dem Mittagessen setz ich mich in den Pub und mach eine ausgiebige Reiseführer-Lesesession. Gegen 17 Uhr beginnt die wirklich sehr interessante Gletschervorlesung, die ich mir in spanisch und anschließend in Englisch anhörte. Dann heißt es auch schon wetterfest anziehen, um den Skua-Gletscher zu bestaunen, der hier ins Meer fließt und seinen Ursprung im südlichen Patagonischen Eisfeld hat. Bei der Annäherungsfahrt sehen wir dreimal jeweils zwei Delfine, die ihre Rücken zeigend aufs Boot zuschwammen. Unser Cargoschiff ist wegen dieser Besichtigung extra in diesen Fjord und bis an dessen Ende eingefahren; ich finde das ein tolles Konzept.
Regentag mit Indoor-Programm:
Da es hieß, wir würden 6 Uhr in Puerto Eden anlegen bzw. ankern, ging ich 7 Uhr kurz raus. Es war noch dunkel und regnete, außerdem fuhren wir noch und von Eden war weit und breit nix zu sehen. Also weiterschlafen. Kurz nach 8 Uhr wurde dann Puerto Eden per Lautsprecher durchgesagt. Also hüpfte ich aus dem Bett, um noch vor dem Frühstück ein paar Fotos zu schießen. Der Ort, welcher nur aus ein paar bunten Häusern besteht, liegt auf einer Insel und die Versorgung erfolgt zweimal pro Woche ausschließlich durch das Navimag-Schiff. Dementsprechend ist es DAS Ereignis und jeder der irgendetwas erwartet, kommt persönlich per Boot an die offene Ladeluke getuckert und nimmt sein Paket in Empfang. Die Carabineros de Chile überwachen das Geschehen - natürlich ebenfalls vom Boot aus. Das Wetter war zu diesem Zeitpunkt gerade noch ok, den restlichen Tag sollte es total verhangen und meist sogar regnerisch sein. Weil es wetterbedingt nichts zu sehen gab, war ich den ganzen Tag über nicht mehr nennenswert draußen. An die Quasselrunde beim Frühstück schließt sich "Der Marsch der Pinguine" an - ein sehr süßer aber auch überaus lehrreicher Film über das Leben der Königspinguine.
Nach dem Mittagessen mach ich ein ausgedehntes Mittagschläfchen. Und um 16 Uhr setze ich mich in die sehr interessante Vorlesung über die Fauna. Sie wurde in Spanisch gehalten, Verstehen klappt also schon ganz gut, aber beim Reden fehlt weiterhin die Übung. Am späten Nachmittag fuhren wir an einem Wrack vorbei, was damals offenbar absichtlich auf den einzigen großen unter Wasser befindlichen Felsen gesteuert worden war. Danach hab ich die Brücke besichtigt und geschaut, dass Kapitän und Offiziere ordentlich arbeiten.
Ausserdem habe ich versucht die Wellen, die ab und an gegen den Bug klatschen zu fotografieren. Das klappte aber nur, wenn sich das Schiff zuvor mit zwei drei Wellen richtig aufgeschaukelt hatte und dann der Bug beim Abtauchen gegen die nächste heranrollende Welle schlug. Der Animateuer, dessen Großeltern aus Deutschland ausgewandert waren und der sogar seine Kinder hat deuschsprachig aufwachsen lassen, zeigte uns auf seinem Laptop ein kurzes Video, die die Sessel im Pub bei ca. 4m hohen Wellen kreuz und quer durch den Raum rutschen. Unvorstellbar, wie es bei 7m hohen Wellen zugeht und angeblich wird erst bei Wellen von über 10m nicht mehr gefahren. Als ich etwas später oben im Pub las bzw. Karte studierte, kam die Durchsage, dass wir in einer Stunde in den Golf de Pena einfahren und wer eine Pille gegen Seekrankheit nehmen möchte, dies jetzt tun sollte. Obwohl nur Wellen von 2 bis 2,5 Meter erwartet wurden - also für hiesige Verhältnisse absolut nichts - zögerte ich nicht und kaufte mir eine. Und tatsächlich gab es etwas Seegang. Vor und beim Essen um 19:30 Uhr war mir dann ungefähr eine Stunde lang nicht so gut. Und ich dachte schon, dass ich heute früh ins Bett gehe, weil das Mittel ja auch müde macht. Aber dann bin ich beim Lesen im Pub doch wieder munter geworden und bis ich dann ins Bett bin, war es sogar 0:30 Uhr.
Heute bin ich erstmals nicht früh aufgestanden, d.h. bis 8:30 Uhr geschlafen und "prompt" hatte ich den Sonnenaufgang bei schönem Wetter nur knapp verpasst. Schade! Ich war heute den ganzen Tag nur draussen. Zuerst um Fotos zu machen, wie das Morgenlicht sich verändert und der Nebel wabert. Toll, wie die Landschaft im Zeitlupentempo vorbei zieht. Wir fahren am Vulkan Maku vorbei und später an einem zweiten mit einem interessanten Doppelgipfel. Außerdem war "Draußen sitzen und Reiseführerlesen" heute mein Tagesprogramm unterbrochen nur vom Mittagessen. Nachmittags habe ich sogar 4-5x hintereinander die Wasserfontäne eines Wals gesehen und zweimal hat er uns seinen Rücken samt Flosse gezeigt.
Abends fährt das Schiff genau nach Nord, sodass die Sonne backbord untergeht. Es ist ein toller, farbintensiver Sonnenuntergang. Die Auslöser der Kameras klicken nur so, denn jede Minute sieht es wieder anders aus. Insbesondere die verschiedenen Wolkenstrukturen drumherum machen es so interessant. Just in dem Moment als die Sonne im Meer versunken ist, geht exakt auf der gegenüberliegenden Seite, also steuerbord der Vollmond hinter den Bergen auf. Das golden organge leuchtende Wasser im Westen, wir von einem silbern schillernden im Osten abgelöst. Die Szenerie, das Timing, einfach alles so perfekt, dass es eher inszeniert wirkt, als real.