Samstag, 3. März 2012

Cerro Torre und Fitz Roy

1. TAG: Wir lassen es ruhig angehen
Die nächsten fünf Tage wollen wir im Nationalpark Los Glaciares wandern und hoffen dabei die namhafte Granitnadel Cerro Torre und den 3405m hohen Fitz Roy zu sehen. "Hoffen" deshalb, weil vielen Besuchern der Blick auf diese tollen Berge verwehrt bleibt und sie selbst bei mehrtägigem oder gar wochenlangem Aufenthalt nur eine Wolkenwand zu sehen kriegen.



Die heutige Etappe führt uns vom Ort El Chalten zur Laguna Torres. Dafür, dass es heute regnerisch sein soll, ist es echt super: 15°C und nur teils bewölkt. Die Rucksäcke sind sehr schwer. Schon nach einer Stunde machen wir die erste Pause und genießen die tolle Aussicht. Nochmal etwas später Mittagspause mit Brötchen und Wurst. Wir lassen ruhig angehen. Nach knapp vier Stunden erreichen wir das Camp Agostoni. Das Zelt ist schnell aufgebaut, so dass wir uns Wichtigerem widmen können: Cafe mit Keksen. Anschließend gönnen wir uns einen gemütlichen Mittagschlaf.


17Uhr starten wir zu unserem Nachmittagsspaziergang: in wenigen Minuten zur Laguna Torre und ca. eine Stunde weiter dem Cerro Torre entgegen bis zum Mirador Maestri. Leider ist außer dem markanten "Felstisch" am Fuße des Cerro Torre nichts zu sehen; alles ist dick mit Wolken verhangen.





Zu Essen gab es heute Chili con Carne und zum Nachtisch Blaubeer Joghurt - beides Globetrotter-Tüten. Heißes Wasser rein, umrühren, Zip wieder verschließen, 10 Min. warten - fertig! So kann sogar ich kochen :-)



1. NACHT: Patagonien gibt eine kleine Wetterkostprobe
Keine Sorge ich werde nicht von jeder einzelnen Nacht berichten, aber diese war besonders. Ich hab nämlich kaum geschlafen. Zum einen natürlich die harte Unterlage bestehend aus einer dünnen Schaumstoffmatte, welche mir die Niederländerin geschenkt hatte, da sie ihre Wanderaktivitäten bereits abgeschlossen hatte. Zum anderen das ungewohnt beengte Schlafen im Schlafsack, aber das ist ja alles normal beim Zelten. Hinzu kam das mir etwas kalt war, insbesondere am Kopf - also mitten in der Nacht Mütze auf. Besser! Für Gesicht und Nasenspitze bringt das allerdings nichts, die sind eiskalt. So soll man schlafen?

Die meiste Unruhe bescherte mir allerdings der Regen, der kurz nach dem zu Bett gehen eingesetzt hatte und nicht mehr aufhören wollte. Ersten müßte ich mal und zweitens mache ich mir Sorgen, ob das Zelt dicht hält bzw. ob mein Rucksack, der in der Apside liegt, gerade absäuft. Ich schaue zweimal nach und rücke ihn noch näher ans Zelt. Außerdem stelle ich mir vor, wie wir morgen bei Regen das patschnasse Zelt abbauen und bei Regen und Wind weiter wandern. All diese Gedanken konnte ich nicht abstellen und so brachten sie mich um den Schlaf. Wir hatten uns für 5:45 Uhr den Wecker gestellt um eventuell den Sonnenaufgang zu bewundern. Da es aber immer noch leicht tröpfelt, verwerfen wir den Plan. ich nutze trotzdem die Gelegenheit mal eben raus zu krabbeln. Die anschließenden 2,5 Stunden ohne Regen dafür mit entspannter Blase und zusätzlich einem Pulli an, schlief ich dann noch einigermaßen.

2. TAG: Cerro Torre und Fitz Roy vor stahlblauem Himmel
Als wir um halb neun aus dem Zelt kriechen, werden wir mit einem atemberaubenden Blick auf den Cerro Torre für die unruhige Nacht entschädigt. Kleine Wolkenfetzen zeigten mal den einen mal den anderen Teil dieser senkrecht aufragenden Granitnadel; dahinter Wolken. Wir hatten schon Sorge, daß diese während wir früh-stücken dem schönen Schauspiel ein Ende bereiten und wir - wie gestern - auf eine weißgraue Wolkenwand blicken würden. Aber wir hatten Glück, das Gegenteil war der Fall. Die letzten Wolken-reste hatten sich verzogen und was wir zu sehen bekamen als wir vor zum See gingen, ist einfach unbeschreiblich.

Unbeschreiblich war übrigens auch der Wind. Wir mußten uns ihm richtig entgegenstemmen und wollten uns garnicht vorstellen, wie das wäre, wenn wir uns mit Rucksäcken, die einiges an Windan-griffsflächen bieten, hier entlang kämpfen müßten. Der See war vom starken Wind so aufgepeitscht, daß der Wellengang eher an offenes Meer erinnerte. Die Wellen klatschten ans felsige Ufer und der Wind trug die Gischt noch viele Meter weiter. Ich war wirklich sehr froh, die GoreTex-Hose und die Daunenjacke samt Kapuze anzuhaben - das war gerade recht. Wir hockten uns in den Wind-schatten einer aus Felsen aufgetürmten Mauer und sogen dieses fantastische Bild in uns auf. Der einzige Makel dieses perfekten Augenblicks war daß der Akku meiner Kamera schon wieder schlapp machte. Zum Glück kann Micha auch noch die nächsten drei Tage Fotos machen, denn die Bilder in meinem Kopf lassen sich so schlecht im Blog hochladen.

Es war bereits kurz vor 12 Uhr als wir das trockene Zelt - dem Wind sei Dank - abgebaut hatten und dieser herrlichen Szenerie den Rücken kehrten. Am Eingang zum Camp trafen wir vier Kletterer aus den USA. Einer von ihnen wartete bereits einen Monat auf gutes Wetter - bis soll die nächsten Tage schön bleiben. Was mir nicht in den Kopf wollte: deren Rucksäcke waren auch nicht größer als die unsrigen und sie hatten Seile, Kletterequipment, Steigeisen, Eispickel, Zelt, Schlafsack und Essen für eine Wochen dabei.

Mittagspause machen wir an einem Platz von dem wir den Anblick des Cerro Torre vor mittlerweile stahlblauem Himmel ein letztes Mal genießen konnten. Die nun folgende Landschaft war sehr abwechslungsreich: eben noch Gletscher und Gipfel, jetzt liebliche Seen, Wiesen und Wälder. Am Lago Madre machen wir mit Blick auf den Fitz Roy oder vielmehr den gesamten vergletscherten Talkessel eine kurze Pause.

Auch heute kamen wir mit den sehr schweren Rucksäcken nicht optimal zurecht, so daß wir mehr als froh waren, sie um kurz nach 16Uhr am Campamiento Poincenot absetzen zu können. Hier ist schon mehr los - 25 Zelte, statt der neun letzte Nacht. Zeltaufbau geht wieder ratzfatz und anschließend gibt es wieder Cafe mit Keksen. Statt dem Mittagschläfchen machen wir noch einen kleinen Spaziergang in Richtung der Laguna Sucia. Als uns das Steinehopsen im Bachbett zu mühsam wurde und wir auch noch auf die andere Seite hätten wechseln müssen, kehrten wir um. Nach einem erneut grandiosen Campingessen (manche von den Tüten schmecken sogar), verkriechen wir uns früh in Zelt und Schlafsack, denn morgen wollen wir ja früh raus.

3. TAG: Sonnenaufgang am Fitz Roy
Um 4:45 Uhr geht der Wecker. Es fällt schwer aus dem warmen Schlafsack zu kriechen. Aber bereits der mit Sternen übersähte, wolkenlose Himmel läßt mich dies schnell vergessen. Das wird ein fantastischer Sonnenaufgang am Fitz Roy mit der Laguno de los Tres im Vorder-grund. Wir sind rechtzeitig dran, brauchen also nicht zu hetzen. Die 500 Höhenmeter Aufstieg sind steil, wir halten ab und zu inne um die sich verändernde Morgen-dämmerung zu beobachten: von schwarz, nach grau, Konturen werden sichtbar, dann wird es bläulich, langsam sogar etwas orange. An diesem Farbenspiel in Bergumgebung werde ich mich nie sattsehen.

Etwa halb sieben waren wir oben, mußten also noch etwas auf die ersten Sonnen-strahleen warten. Zum Glück hatte ich meine Fleece- und die GoreTex-Hose, sowie die Daunenjacke, Mütze und Handschuhe mitgenommen und zog alles an; so mußte ich nicht frieren beim Warten. Wobei nichtmal ein Wind ging - so völlig unpatagonisch. Es waren nur zehn weitere Leute oben, um das Spektakel zu beobachten, bei knapp 30 Zelten hatten wir einen unangenehmen Massenauflauf befürchtet. Den Prozeß und die Stimmungen vom ersten Sonnenstrahl am Gipfel bis der gesamte Berg im Sonnenlicht erstrahlt zu beschreiben, ist schlichtweg unmöglich. Jeder Moment neu, anders - ein Unikat!

Wir wußten, daß es schön sein soll, aber so schön! Und das Ganze vor einem postkartenverdächtigen stahlblauen Himmel. Eigentlich paßt das auf keine Kuhhaut, welch Wetterglück wir haben. Gestern noch seien hier die Leute umgeweht worden, wenn sie zum Foto-grafieren aus dem Windschutz heraustraten. Wir werfen auch noch einen Blick von oben auf die Laguna Sucia, die wir gestern Nach-mittag nicht mehr erreicht hatten - beeindruckend eingequetscht zwischen steilen vom Gletscher glattgeschliffenen Felswänden.


Wieder am Zelt im Wald, nehmen wir unser Frühstück und setzen uns damit am Rio Blanco in die Sonne. Aufgrund der fehlerhaften argentinischen Karte verpassen wir den richtigen Abzweig und müssen dann Querfeldein um wieder auf den Weg zu kommen, der ganz unten am Fluß entlang führt. Die runden Steine dort sind beschwerlich zu gehen, der Aufstieg zum Glaciar Piedras Blancas auch, aber er lohnt sich. Wir sitzen nicht all zu lange dort, weil wir noch einen große Strecke vor uns haben. Trotzdem brechen vom Hängegletscher immer wieder Brocken ab.

Eine Stunde weiter sehen wir drei schwarze Spechte, zwei davon mit feuerroten Köpfen. Als sie weggeflogen sind, entdecken wir den Abzweig der vom Flußbett weg in den Wald führt. Ohne die Spechte wären wir eventuell daran vorbeigelaufen. Es geht z.T. steil aufwärts, obwohl die Etappe im Rother Wanderführer als nur abfallend beschrieben war. Das sich Hochdrücken mit den schweren Rucksäcken - heute habe ich das 3,5kg schwere Zelt - ist echt hart und wir wollen nurnoch ankommen. Es sind aber noch 8km, noch 6km u.s.w. Die Intervalle in denen wir kurz Rasten oder zumindest mal die Rucksäcke absetzen, werden immer kürzer. Endlich, halb sechs haben wir das Refugio Piedra del Fraile erreicht. Es ist ein privater Campingplatz und somit im Gegensatz zu den vorangegangenen kostenpflichtig. Die umgerechnet 10,- Euro beinhalten aber auch Duschen. Nach einem großen Topf Spagetti Napolitana liegen wir, weil es draußen kalt ist, im Zelt. Und weil ich so kaputt bin, mach ich schon um halb zehn die Augen zu.

4. TAG: Tageswanderung zum Paso Cuadrado
Wir hatten offenbar tatsächlich viel Erholung nötig, denn wir schliefen fast zwölf Stunden. Nach einem gemütlichen Frühstück starten wir kurz nach 11 Uhr. Insgesamt sollten es 1300 Höhen-meter werden und es ging wirklich sehr steil aufwärts. Allmählich eröffnete sich uns der Blick aufs südliche patagonische Eisfeld.




Auch von dieser Seite ist dem Fitz Roy ein kleiner Gletschersee vorgelagert auf dem kleine Eisberge schwimmen. Hier befindet sich das Basecamp der Fitz Roy Kletterer, die alle hellauf begeistert gar euphorisch sind, weil sie die letzte Tage so viele schöne Routen machen konnten. Schon allein die Zustiege zum jeweiligen Wandfuß, die sie beschreiben, klingen für mich haarsträubend. Das letzte Stück bis zum Pass führt zunächst über Gletscherschliff, dann über ein Schneefeld, welches aufgrund der fortgeschrittenen Stunde glücklicherweise weich ist und auch ohne Steigeisen gut zu begehen ist.

Zum Schluss noch ein paar Meter leichter Kletterei, dann verschlägt uns der Ausblick fast den Atem. Vor uns liegen zwei vergletscherte Talkessel und die Rückseite des Cerro Torre ist zu sehen. Wir können uns wirklich kaum losreißen, aber da es schon fast 17 Uhr ist, wird es Zeit den Rückweg anzutreten. Zwei Stunden später sind wir wieder am Zelt und kochen uns ein Zweigänge-Menü: erst die restlichen Spagetti mit Soße und danach das Gemüserisotto von Globetrotter.

5.TAG: Zurück in die Zivilisation
Zeltabbau ist mittlerweile Routine, halb elf laufen wir los und erreichen nach zwei Stunden die Strasse. Mehr schlecht als recht quatschen wir mit zwei brasilianischen Kletterern. Als diese von Freunden abgeholt werden, können wir auf der Pritsche des Pickups mitfahren. Schneller, billiger und natürlich mehr Abenteuer als 1,5 Stunden auf den Bus zu warten. Wir werden an einem Waffel-Restaurant abgesetzt und kehren spontan ein. Danach nimmt das "Drama" um die Busfahrt nach El Calafate seinen Anfang, was unter "Herausfordernder Logistik" beschrieben ist.