Mittwoch, 25. April 2012

Die Wüste lebt

Um die Lücke zwischen Blogeinträgen und tatsächlichem Datum etwas zu verkleinern, versuche ich mal ein bischen zu raffen. Gleichzeitig weiß ich, das wird schwer, weil ich soviel erwähnenswerte kleine Details erlebe.



(Sa. 7.4.) Kaum habe ich San Pedro de Atacama erreicht, muß ich auch schon das Hostel wechseln, weil die kommende Nacht bereits ausgebucht war - Ostern läßt grüßen. Erst ärgere ich mich etwas, weil das natürlich bedeutet alles wieder zusammen packen zu müssen und das Hostel - abgesehen von den 6 quietschenden Betten - eigentlich ganz nett war. Im Nachhinein war der Wechsel gut, denn es wartete ein 4-er Zimmer mit Locker und guten Betten auf mich. Dann schlendere ich durch die unbefestigte, staubige Hauptstrasse und eine Nebenstrasse in der sich das gesamte touristische Leben von San Pedro abspielt - sprich hier reiht sich Touranbieter an Touranbieter. Ich lasse mir von 2-3 das Standardangebot erklären und gehe dann noch in zwei bolivianische Agenturen, welche die Uyuni-Touren anbieten. Wie zu erwarten war, ist es bei allen sehr sehr ähnlich. Mein Infokanal ist zunächst erstmal voll.


Ich treffe Marga und Arnoud, die gerade ins Valle de la Muerte und Valle de la Luna starten; man trifft sich bestimmt unterwegs. Ich gehe erst noch ein Humidas essen und schleppe einen 5 Liter Wasserballon zum Hostel, um mich dort ebenfalls für die Radtour zu präparieren. Auf die Idee, sich 14:30 Uhr ein Bike auszuleihen und damit durch die Wüste zu strampeln, kommen bestimmt nur Touristen - zum Glück zähle ich zu dieser Spezie. Auf der Asphaltstrasse bin ich zum oberen Ende des Valle de la Muerte und hab die tollen Sandsteinformationen und Dünen zunächst von oben bewundert.

Dann wollte ich auf der Piste das Tal hinunter rollen. Tja, leider war es teilweise so sandig, dass ich abwärts schieben musste. Trotzdem ein schönes Erlebnis! Vor allem die schneebedeckten Vulkanberge im Hintergrund haben der Landschaft eine unverwechselbar beeindruckende Note verliehen.


Im Valle de la Luna geht es um einiges touristischer zu, was sich nicht nur anhand des Kassenhäuschens manifestiert. An jedem "Haltepunkt", den man der wahlweise englischen oder spanischen Infobroschüre entnehmen kann, stehen bereits mehrere Autos. In der "Cueva" - eine sehr enge Höhle, der man etwas 10 Min. entlang laufen kann - sind es ein paar weniger, weil nicht jeder mit Stirnlampe ausgestattet ist. Der "Canyon" ist leider gesperrt, seit den starken Regenfällen und Überschwemmungen im Januar - ja ganz richtig gelesen - ein Jahrhunderereignis in der trockensten Wüsten der Welt, in der nur etwas 1/50 der Regenmenge fällt, die im Death Valley in den USA gemessen wird. Das sogenannten "Amphitheater" ist geologisch eine Auffaltung des Salars (Salzebene), die ursprünglich mal ein Meer war. Dort treffe ich Marga und Arnoud wieder. Das Timing hätte perfekter nicht sein können. Gemeinsam radeln wir zum letzten eigentlichen Highlight der Tour: eine hohe Düne von der aus man den Sonnenuntergang beobachten kann.


Als Überraschung habe ich für jeden eine Dose Bier im Gepäck, die sorgsam in einen Pulli eingewickelt sogar noch schön kühl sind. Weil der Himmel heute recht bedeckt und bewölkt ist, präsentiert sich die Farbenpracht leider etwas verhalten. Auch stören die Heerscharen an Touristen, die busweise z.T. auch "nur" für dieses Event herangekarrt werden, etwas die Stimmung. Schön war es natürlich trotzdem. Ich musste eben etwas weiter laufen, um ein Foto ohne Menschen zu bekommen. Auf dem Rückweg haben wir dann noch das Emporkommen des Vollmondes beobachten können - diesmal nur beinahe so spektakulär wie vor 4 Wochen in den patagonischen Kanälen.


(So. 8.4.) Den Ostersonntag hatte ich zum Ruhetag auserkoren und wollte eigentlich endlich mal wieder so richtig üppig ausschlafen, aber 8 Uhr war die Nacht für mich vorbei. Statt die nächsten Tage immer frühstücken zu gehen, was zwar lecker klingt, es aber in Anbetracht von Nescafe, Zuckerplörre statt Saft und trockenem Brötchen nicht ist, kaufe ich mir Haferflocken, schnibbel eine Banane hinein und kippe Kaba drüber. Ich verbringe den Tag mit Reiseplanung, Mails schreiben und besuche das durchaus interessante archäologische Museum - die Trockenheit der Wüste hat sogar Textil- und Pflanzenfasern konserviert, so dass einige Exponate durchaus mehrere Tausend Jahre alt sind.

(Mo. 9.4.) Bereits 3:40 Uhr geht der Wecker, Um 4:20 Uhr werde ich zur Gysir-Tour abgeholt, denn im Morgengrauen ist dieses Naturwunder am eindruckvollsten. Die ersten paar Minuten der Fahrt schaue ich mir die vom noch recht vollen Mond beschienene Landschaft an, aus der insbesondere die weißen Vulkane hervor-stechen, dann schlafe ich vom Geruckel des Busses doch ein. Ich habe Glück, noch vor einem Monat, war diese Tour wegen des erwähnten starken Regen im Januar nichtmal mit Allradfahrzeugen möglich. Aber da diese Touren eine wichtige Einnahmequelle sind, hat man sich sehr schnell um die Aufräumarbeiten gekümmert.



Als wir 6:30 Uhr den Parkeingang auf ca. 4500m Höhe erreichen, hat es -6°. Ich bin froh um die kuschlig warme Fleecehose unter der Jeans und die Daunenjacke, so dass ich ganz entspannt über das Feld der dampfenden, brodelnden und zischenden Erdlöcher spazieren und in Ruhe auf die unregelmäßig erscheinenden Wasserfontänen warten kann. Um dieses absolut sensationelle Naturschauspiel richtig genießen zu können, waren mir aber doch zu viele Busse und Leute dort. Auch wenn das Frühstück sehr einfach war, über den heißen Tee oder Cafe waren alle sehr froh. Wem dies zum Aufwärmen noch nicht gereicht hatte, konnte wenig später in ein Becken vulkanisch warmen Wassers steigen. Wieder zusammen mit all den anderen 10-15 Kleinbussen, die natürlich alle dem selben Zeit- und Fahrplan folgen.

Den letzten Stopp machten wir dank unseres Guides, der die Gegend sehr gut kennt und sich trotzdem noch für Details begeistert, anders als alle anderen Gruppen. Wir halten am Rande eines interessanten Canyons, in den wir von oben reinschauen. Im steinigen Terrain zeigt uns der Guide mehrere kleinere Blümchen, die er selbst noch nie gesehen hat. Es gibt in der Wüste tatsächlich Pflanzen, die warten bis es ausreichend regnet, um zu blühen und wenn es 20 Jahre dauert.

Die Gysire waren natürlich die Hauptattraktion dieses Ausflugs, aber ich habe auch folgendes gelernt: Wer meint, dass die Wüste öde ist, im Sinne von eintönig, der täuscht. Wüste ist hier eine überaus abwechslungsreiche Mischung mit Felsformationen, Canyons, wasserführenden Tälern, allerlei Tieren wie beispielsweise Vicunias, Viscachas, Vögel und Enten bis hin zu kleinen Feldern leuchtend blauer Blumen.

Sonntag, 22. April 2012

Cerro de Siete Colores + Über den Paso de Jama nach San Pedro de Atacama (Chile)

Der "Cerro de Siete Colores" soll im ersten Morgenlicht besonders intensiv und vielfarbig leuchten. Für den einstündigen Spaziergang um diesen Hügel herum, hatte ich mir also für 7 Uhr den Wecker gestellt. Da es aber gerade erst dämmert, krieche ich nochmal für eine halbe Stunde ins Bett. Denn bei den Lichtverhältnissen sehe ich nichtmal eine von sieben Farben. Auch als ich um halb acht losspaziere, ist das Licht noch so fahl, dass ich die erste Dreiviertel-stunde den Eindruck habe, zu früh dran zu sein, um das Farben-spiel zu erleben. Ich habe mich bereits damit abgefunden, "nur" einen netten Spaziergang in frischer Morgenluft gemacht zu haben, als es die Sonne dann doch über die Hügelkette auf der anderen Talseite schafft und den Cerro de Siete Colores in voller Farbenpracht erstrahlen läßt.



Zurück am Hostel schmeckt dann das wie üblich eher karge Frühstück richtig gut. Da Purmamarca keinen Busbahnhof hat, mache ich mich anschließend zu besagter Kurve der Hauptstraße auf, an welcher der Überlandbus, der sogar die internationale Grenze passiert, halten soll. Fahrplanmäßig sollte der Bus um 9:40 Uhr abfahren, zusammen mit vier anderen Touris saß ich aber bis 11 Uhr dort am Straßenrand.
Gleich hinter Purmamarca steigt die Straße in spektakulären Serpentinen an und klettert dabei durch steile Kakteenschluchten hinauf. Auf einer Strecke von nur 37km werden fast 2000 Höhenmeter überwunden. Bald ist die Ödnis des Altiplano und eine Höhe von um die 4000m erreicht. Sehr vereinzelte schneebedeckte Vulkane ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich.


Verglichen mit den Tagen zuvor, ist das heute ein komplett anderes Reisen. Die Sitze sind bequem, die großen und sauberen Fenster bieten ein großartiges Panorama, auch die Luft ist staubfrei und wohlaklimatisiert und dem zwar schlechten, aber immerhin sättigenden Mittagessen kann man sich später auf der Bordtoilette entledigen. So kann ich die sehr abwechslungsreiche Fahrt voll genießen. Wir fahren mitten durch die Salinas Grandes, in denen auch heute noch Salz abgebaut wird. Hier und da stehen Lamas am Straßenrand. Vorbei an farbigen Lagunen, bizarren Felsformationen und schneebedeckten Vulkanen. Der höchste Punkt der Fahrt sind 4820m - also höher als der Gipfel des Mont Blanc - während der Paso de Jama "nur" eine Höhe von 4200m hat.

Die Fahrt endet mit knapp 2 Std. Verspätung um kurz vor 19 Uhr an der chilenischen Grenzstation am Ortseingang von San Pedro de Atacama, von wo aus sich die Fahrgäste zu Fuß aufmachen. Obwohl das touristisch relevante Zentrum dieses Wüstenortes eigentlich nur aus einer Haupt und drei Querstraßen besteht, hat es länger gedauert bis ich mein Hostel gefunden hatte, denn die Nummerierung der Häuserblocks hat just in dieser Straße einen Fehler.

Samstag, 21. April 2012

Von Unaussprechlich, via Nirgendwo in die Abgeschiedenheit

Oder übersetzt in Orts-, Dorf- und Weilernamen: von Humahuaca mit dem Bus zur Endhaltestelle Iruya auf dem Altiplano und zu Fuß bis San Isidro.


Man könnte meinen eine dreistündige Fahrt durch die Puna in der es nichts zu sehen gibt außer Steine, Staub und ein paar trockene Grasbüschel sei langweilig, aber weit gefehlt. Die Fahrt an sich war ein Abenteuer: der Bus muß insgesamt drei Flüsse durch-queren. Nicht irgendwelche Rinnsale oder Bäche, sondern schon mitten durchs Flussbett mit nicht wenig Wasser und dicken runden Wackern. Außerdem hat er sich von 3000m von auf 4000m hinaufgeschraubt und auf der anderen Seite über sehr steile und schmale Sträßchen und Kehren wieder hinunter. Unterwegs hab ich noch eine Herde Vicunias gesehen. Es ist heiß, aber weil die Strasse sehr staubig ist und sonst alles ins Innere des Busses ziehen würde, bleiben die Fenster geschlossen.

In the middle of nowhere haben wir dann mal angehalten, weil einer der Herren der Schöpfung gefragt hat, ob man mal einen Pinkelstopp machen könnte. Daraufhin sind drei ausgestiegen; für Frauen war das jedoch keine Option. Beim nächsten Stopp auf der Passhöhe waren ein paar Felsen in der Nähe - meine Chance. Damit sich die Weiterfahrt nicht unnötig verzögert, hab ich die paar Meter zurück zum Bus locker gejoggt, wurde aber sofort mit Kurzatmigkeit bestraft, was mich daran erinnert, dass ich mich auf 4000m befinde.

Fast pünktlich kam ich in Iruya an. Hier galt es irgendwo den großen Rucksack deponieren zu können, um mit leichtem Gepäck nach San Isidro zu wandern. Die Jugendherberge hatte dafür leider keinen Platz, aber in einem Hostel, was mir die Betreiberin des Humahuacasa empfohlen hatte, war es gar kein Problem. Ich kramte also ein paar Sachen für eine Nacht zusammen, füllte meine Wasserflaschen auf und fragte die Dame des Hauses nach dem Weg. Sie riet mir, ein zweites paar Schuhe mitzunehmen, weil die ersten bei den Flußquerungen naß werden würden. Davon hatte ich im Internet schon gelesen, also hängte ich mir noch meine Flipflop an den kleinen Rucksack. Auch in der Touristeninfo, an der ich zufällig vorbei kam, fragte ich nochmal. Denn die Erfahrung meiner Reise zeigt, je öfter fragen, desto besser, weil die Infos nicht immer die aller besten sind. Nachdem der Herr mich darüber informiert hatte, dass er für die Touristeninfo "Iruya" arbeite, was seiner Meinung nach nichts mit dem Weg nach San Isidro zu tun hat, erklärte er mir dann doch recht genau, wo es lang geht. Dabei war von Flußquerungen keine Rede mehr, aber von zweimaligem Ausweichen. Also mal sehen, ich bin gespannt und stapfe kurz vor 15 Uhr los.


Erst geht es etwas das Haupttal abwärts, dann links in ein Seitental in dem auf 3000m San Isidro liegt. Der einzige Zugang zu diesem Nest ist dieser Eselspfad, den ich entlang wandere. Die Landschaft ist herrlich!! Glühend rote, sehr steile, canyonartige Sedimentaus-waschungen ringsum - ein wirklich ursprüngliches Tal. Erst seit zwei Jahren stört eine Stromleitung dieses Idyll. Später sollte ich mich dann an den Vorzügen der Elektrifizierung dieses Örtchens erfreuen, nämlich bei einer beulerbeheizten warmen Dusche und nicht schon um 20 Uhr im Dunkeln sitzen zu müssen.

Ich wandere also im Flussbett aufwärts. An der ersten Stelle, an welcher der Fluss sich der Felswand nähert, kann ich seitlich durch-schlupfen und bin auch froh drüber. Denn der Fluss ist zwar nicht besonders breit, hat aber doch eine ordentliche Fließgeschwindigkeit. Nach ungefähr einer Stunde - es ist immer noch sehr heiß - mache ich im Schatten ein Päuschen. Danach begegne ich zwei Touristen, die seit dem Dorf von einem Hund begleitet werden. Wir unterhalten uns kurz und als ich weitergehe, schließt sich der Hund mir an. Unerwarteterweise habe ich jetzt doch einen Guide, der immer ein Stückchen vorläuft, um mir zu zeigen wo es lang geht und dann wieder auf mich wartet. Sein Fell ist ungefähr bis zur Körpermitte nass. Hoffentlich heißt das nicht, dass ich doch noch den Fluss queren muss.


Wir kommen an einem großen aus Steinen gelegten Pfeil vorbei, der unmißverständlich den Hang hinauf deutet. Mein vierbeiniger Begleiter läuft jedoch achtlos, ja sogar zielstrebig daran vorbei und weiter dem Flussbett entlang. Als ich kurze Zeit später um die Ecke biege, ist es soweit. Der Fluss trifft auf die Felswand und der Hund steht bereits bis zum Bauch im Wasser und schaut mich erwartungs-voll an. Nass im Flussbett zu liegen ist ja nicht so schlimm, aber mir fällt spontan mein Laptop und das Handy ein, die ich im Rucksack habe. Ich entschließe mich zur Umkehr, um trockenen Fusses das steile Ufer hinauf dem Pfad zu folgen.


Kurz nach 17 Uhr habe ich das kleine Örtchen erreicht und frage mich zur empfohlenen Hospedaje Teresa durch. Das Zimmer, in dem vier Betten stehen hat eine Tür und ein Fenster. Fensterglas Fehlanzeige, was soll's wenn man die Fensterläden, die nach innen aufgehen, schließt, ist auch zu. Ich muss mich noch ein halbes Stündchen gedulden, dann kann ich eine zwar etwas tröpfelnde, aber richtig schon warme Dusche geniessen, in einem erstaunlich neu gefließten Bad, von dem sich so manches der letzten Stadthostels etwas abschneiden kann. Übernachtung 25 Pesos und Halbpension auch nochmal 25, also alles für unter 10 Euro.


Beim Frühstück erzählt Teresa von einer Nachbarin, die 15 Kinder zur Welt gebracht hat - alle als Hausgeburt und ohne ärztliche Unterstützung versteht sich. Und dann erzählt sie weiter, dass diese Frau dann nochmal 5 weitere Kinder mit einem anderen Mann hatte, das letzte mit 48 Jahren. Aufgrund des hiesigen Katolizismus tippe ich mal darauf, dass der erste verstorben ist.



Als ich den Rückweg antrete komme ich an drei Bauern vorbei, die gerade eine Ziege häuten. Eine Stunde vorher hat sie wahr-scheinlich noch gelebt. Nach gut 2 Stunden bin ich wieder in Iruya, habe also noch genügend Zeit in aller Ruhe durch die schmalen Gassen hinauf zum Aussichtspunkt zu spazieren und dem auf der anderen Seite des Flusses gelegenen Teil des Dorfes einen Besuch abzustatten. Gestärkt mit ein paar in einer Garage frisch zubereiteten Empanadas steige ich 13 Uhr ins Collectivo, welches sich mühselig die 33 Kehren bis zur Passhöhe auf 4000m hinaufschraubt und dabei einmal sogar zurücksetzen muss.

In Humahuaca kaufe ich mir direkt das Ticket für die Weiterfahrtnach Tilcara und komme mit nur einer halben Stunde Wartezeit 17 Uhr weiter. Diesmal hat der Bus weder unten drin einen Laderaum, noch einen Dachgepäckträger. Die Rucksäcke werden im Innenraum hinter dem Fahrer gestapelt - öfter mal was Neues; Flexibiltät ist bei einer solchen Reise absolut Pflicht.

In Tilcara war ich eigentlich einzig und allein ausgestiegen, um das in meinem Reiseführer gelobte archäologische Museum zu besichtigen. Als ich zehn vor Sechs am Eingang stand, mußte ich feststellen, dass es leider schon in wenigen Minuten schließt und nicht wie in meinem Reiseführer angegeben erst um 19 Uhr. Mist! Immer wenn ich einen auf Kultur machen will - so scheint mir - stehe ich vor verschlossenen Pforten. Nachdem ich wenigstens einen kurzen Blick in die Dorfkirche geworfen habe deren Dachkonstruktion aus Kakteenholz ist, weiß ich wozu mein Zwischenstop in Tilcara gut war. Ich treffe Marga und Arnoud wieder mit denen ich am Aconcagua gewandert war und in Mendoza die Weintour gemacht hatte. Beim schnellen Bier bis zu meiner Busabfahrt nach Pumamarca stellen wir fest, dass wir morgen im selben Bus nach San Pedro de Atacama sitzen - was ein Zufall.

19 Uhr in Pumamarca steuere ich das erstbeste Hostel an - belegt! Noch auf der Treppe des Hostels stolpere ich in eine Portena (d.h. ein Mädel aus Buenos Aires), die auf der Suche nach einer Unterkunft bereits fünf Adressen erfolglos abgeklappert hat. Tja, es ist die Osterwoche in der auch die Argentinier unterwegs sind. Zusammen gehen wir zur kapazitätsstärksten Bleibe im Ort und bekommen das aller letzte Zimmer. Als wir kurz drauf auf Futtersuche durch die Gassen schlendern, werden wir wiederholt von Backpackern angesprochen, die immer noch auf der Suche nach einem Bett sind. Manchmal muss man eben auch Glück haben.

Quebrada de Humahuaca


(Di. 3.4.) Mit dem Taxi zum Busterminal und 12:30 Uhr nach Jujuy losgefahren. Nach knapp zweistündige relativ unspektakulärer Fahrt sichere ich mir ein Ticket für die Weiterfahrt um 16 Uhr und gebe ich die Rucksäcke an der Gepäckauf-bewahrung ab, um lastfrei einen Kurzbesuch des Stadtzentrums machen zu können. Leider haben sowohl die Kathedrale als auch die sehenswerte Kirche zu, die sehr guten Infotafeln, die jeweils davor standen, entschädigten natürlich nur bedingt. Aber das Cabildo ist sehr schön und das sehr repräsentative Gebäude in dem heute die Regionalverwaltung untergebracht ist, konnte teilweise besichtigt werden. Auf dem Rückweg schlendere ich noch über den Mercado del Sur auf dem es alles Nötige und Unnötige und vor allem bunt gemischt zu kaufen gab. Socken und Unterwäsche, neben Gewürzen, Shampoo und sonstigen undefinierbaren Creme-Töpfchen; hier CDs, dort etwas Obst und Gemüse und - nicht zu vergessen - die Tütchen mit den Coca-Blättern. In einem kleinen Laden ein Wasser für die Weiterfahrt gekauft; ich musste die Luft anhalten, so ekelhaft gammelig roch es. Auf der Strasse, wo jeder alles hinschmeißt, liegen und verrotten läßt, hätte ich das ja noch nachvollziehen können, aber in einem Laden...

Meine ursprüngliche Idee war, zunächst bis Tilcara zu fahren, um dort dem archäologischen Museum noch einen Besuch abzustatten und später meine Fahrt nach Humahuaca fortzusetzen. Beim Ticketkauf hatte ich diesen Zwischenstop aber irgendwie vergessen und ein Ticket bis Humahuaca gekauft. Klar, hätte ich auch früher aussteigen und mir für die letzte Teilstrecke einfach ein neues Ticket kaufen können. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Bus eine halbe Stunde Verspätung hatte und die Fahrzeit etwa drei Stunden beträgt, entschloss ich mich durchzufahren und noch im Hellen in Humahuaca anzukommen.

Spektakuläre Fahrt durch die Quebrada Humahuaca.

Nur wenige Kilometer hinter Jujuy steigt die Strasse in seichten Kehren allmählich an. Das Tal ist tief eingeschnitten, hat aber trotzdem einen breiten, teils fruchtbaren und bewirt-schafteten Talgrund; die Seiten ragen dafür um so steiler und sehr hoch auf. Der Betrieb der Bahnstrecke, deren Reste hier und da sichtbar sind, wurde vor ca. 25 Jahren eingestellt, wie mir eine einheimische Mitreisenden erzählt. Das Tal steigt immer weiter an, die Vegetation an den steilen Hängen wird spärlicher, dafür tauchen ein paar Kandelaberkakteen auf. Die Hänge rechts und links leuchten in den unterschiedlichesten Farben. Es gibt also nicht nur den "Cerro de siete colores" in Pumamarca (dazu in einem späteren Beitrag), sondern das gesamte Tal ist von dieser prächigen Vielfarbigkeit geprägt. Die schräge Schichtung der Gesteinsplatten scheint überall dieselbe zu sein und trotzdem sind die Ausblicke aus dem Bus hinter jeder Kurve neu und spannend. Dazwischen liegen einige sehr ursprüngliche Dörfer mit ihren im Adobe-Stil, d.h. aus luftgetrockneten Lehmziegeln erbauten Häusern. Kein Wunder hat die UNESCO dieses Tal als Welterbe der Menschheit deklariert.

Im Gespräch mit meinem französischen Nebensitzer fällt mir auf, dass ich in Spanisch antworte, weil mir ad hoc nichts französisches einfällt. Nicht, dass ich inzwischen besser Spanisch spreche, aber das Französisch ist gerade in den Hintergrund gerückt bzw. steckt in einer Schublade, die aktuell klemmt. Außerdem fange ich an einzelne Passagen der Folklorelieder zu verstehen, die in den Collectivos rauf und runter laufen. "Warum gehst du? Wohin gehst du?" u.s.w. und in 90% der Songs kommt "Corazon" (Herz/Schatz) vor.


Bis Humahuaca hat sich die Landschaft dann auch geändert, wir sind schon fast auf dem Altiplano - die Hochebene - angelangt. Der Talgrund ist immer noch breit, aber eben kontinuierlich angestiegen, so dass die seitlichen Hänge nicht mehr soweit aufragen. Auch der Bewuchs hat sich geändert; es wachsen kaum noch Kandelaberkakteen, sondern nurnoch vereinzelte, kleine Grasbüschel.

19:15 Uhr in Humahuaca gehe ich direkt zum Hostel Humahuacasa, welches mir Juan und Sergio - die beiden Argentinier, die mit mir auf dem Zweitagestrip Cachi-Cafayate waren - empfohlen haben. Dank ihrer Skizze habe ich das Hostel super schnell gefunden und bin gleich wieder los, um mir was zu Essen zu suchen. Im ersten Restaurant, das ich ansteuere, klärt man mich auf, dass ich hier überall erst ab halb neun etwas bekomme. Also schlendere ich noch etwas durch die engen Gassen, die mit dicken runden Wackern gepflastert sind. In der kleinen Markthalle, die gerade schließt, kaufe ich mir noch etwas Obst und Brot für meinen morgigen Ausflug. Außerdem finde ich an einem der Kunsthandwerkerstände so kleine nette mit Sand gefüllte Fläschchen. Auch steige ich die ewig breiten Stufen zum überdimensionierten Monument für die Unabhängigkeit empor.


Schließlich finde ein sehr nettes Restaurant mit Kakteen-holztischen, darauf bunte gewebte Tischsets und Kerzen. Wahrscheinlich wird es überwiegend von Touristen besucht, weil die normalen Restaurants ja eher mit rein funktionalen Tischen und Stühlen ausgestattet und mit Neonröhren beleuchtet sind. Ich entscheide mich wie auch schon in Salta unter den Arkaden der Plaza für Humitas (Maisbrei, der eingewickelt in ein Maisblatt gekocht oder gedünstet wird und leicht süßlich schmeckt) und einen andinen Salat (eine Art Hirse mit Tomaten und Ziegenkäse).

Humahuaca ist ein wirklich putziges Örtchen, welches durchgehend mit großen runden Flusswackern und damit sehr uneben geplastert ist. Ringsum die Adobehäuser (aus luftgetrocknete Lehmziegeln) teilweise weiß gestrichen oder eben "naturbelassen". Insgesamt also ein sehr beschaulicher, verschlafener Ort mit einem sympatischen Flair.

Für den nächsten Tag stelle ich mir den Wecker für 8 Uhr, obwohl der Bus erst um 10:30 Uhr fährt. Gemütliches Frühstück mit aus-nahmsweise mal richtigen Cafe und sogar Butter zur Marmelade und gutem Brot. Die Hostelbetreiber sind wirklich sehr nett. Ich spaziere nochmal durch den Ort, um die urigen Gassen bei Tages-licht zu bewundern und ein paar hübsche Fotos zu schießen. Auch kaufte ich mir ein Ticket für den 10:30 Uhr-Bus, denn die Gruppe aus dem Hostel, wollte mit dem frühen Bus um 8:20 Uhr fahren, kam aber - als ich noch beim Frühstück saß - zurück, weil der Bus bereits voll war.

  
Bemerkenswert war auch die mega lange Schlange vor der einzigen Bank im Ort; ähnliches war mir gestern in Jujuy aufgefallen. Ich vermute mal, das hängt mit dem Zahltag zusammen. Ich befrage dazu einen Polizisten, der erklärt, dass dann alle Leute vom Land in die "Stadt" kommen, um ihr Geld abzuholen. Der schweizer Hostelmitarbeiter hatte sich bei seinem einzigen Bankbesuch lieber schon um 7 Uhr angestellt, obwohl die Bank erst um 9 Uhr aufmacht. Denn da waren nur 10 Leute vor ihm, statt dann später 50 vor sich zu haben. Vielleicht ist auch das der Grund, warum Richtung Iruya 3 Busse eingesetzt werden. Ich hatte gedachte, das ist der Bus ins Nirgendwo mit vereinzelten Fahrgästen, aber weit gefehlt, die 3 Busse waren alle rappel voll. Wahrscheinlich waren die alle ihr Geld holen.

Kurz nach 10 Uhr zum Busbahnhof. Diesmal erstmals mit einem Bus, in dem das Gepäck nicht unten rein kommt, sondern oben aufs Dach. Ein mitreisender Tourist, weist mich darauf hin, dass es ein klein wenig nach Regen aussieht, so dass ich noch meine Regenhülle auspacke, welche aber bei der aller ersten Anwendung überhaupt, gleich mal kaputt geht (Kordel, die nur verknotet ist, geht auf). 10:45 geht es mit kleiner Verspätung los. Kurz hinter Humahuaca kein Bewuchs mehr und nach einer halben Stunde biegt der Bus von der Asphaltstrasse auf die Schotterpiste ab, so dass es fortan etwas gemächlicher vonstatten geht. Hier und da steht ein Esel, der an dem spärlichen fast unmerklichen vertrockneten Grün der Puna rumknabbert. Ich sitze also am Fenster und beobachte, wo die Reise so hingeht. Ich hab wirklich das Gefühl, hier geht es ins Nirgendwo und ich bin sehr gespannt, wo ich am Ende der dreistündigen Fahrt lande.

Freitag, 20. April 2012

Cachi und Cafayate - Exzellente 2-Tagestour


1. Tag: (So. 1.4.) Der erste starke Eindruck dieser Tour war der kokakauende Fa(ü)hrer, der mich als letzte von 5 Teilnehmern um 7:30 Uhr einsammelte. Es ist nur wenig übertrieben, wenn ich sage, dass seine Wange tennisballgroß mit Kokablättern vollgestopft war. Außerdem konnte ich bis zum Schluss nicht rausfinden, ob sein Vollbart tatsächlich die fehlende Reihe Schneidezähne cachiert oder nicht. Jedenfalls war er nicht nur für mich, sondern auch für die 4 argentinischen Gäste schwer verständlich. Hinzu kommen natürlich die Besonderheiten der argentinischen Sprache. Ein Beispiel: "Lama" wird im Spanischen mit zwei L also Llama geschrieben und "Jama" gesprochen, die Argentinier machen aus diesem weichen Wort ein hartes "Schama". Ich hab mich trotzdem gefreut, mit einer rein argentinischen Gruppe - alle aus Buenos Aires - unterwegs sein und somit mein Spanisch üben zu können.

Bei unserer frühmorgendlichen Fahrt durch ein Tabakanbauge-biet in Richtung Berge, veränderte sich das Licht auf ganz spannende Weise: allgemein dunkler Himmel, aber dort wo die Sonne durchdringt, bringt sie das schöne saftiges Grün zum Leuchten. Etwas später als wir durch die Quebrada de Escoipe fuhren riss es auf: azurblauer Himmel, strahlendes Grün von den Wiesen, kräftig gelbe Blumen, die Berge und Felsen leuchtend rot vom oxydierten Eisen und grün leuchtend vom oxydierten Kupfer - also genau die umgekehrten Farben der Erze.

Wir bekommen die ersten Candores zu sehen. Diese Kandelaber-kakteen wachsen nur etwa 1cm pro Jahr, so dass, die zahlreichen 3 bis 5m hohen Kakteen durchaus ca. 600 Jahre alt sind.  Als wir immer höher fahren zur Cuesta del Obispo verändert sich die Landschaft, schöne Felswände schimmern rötlich und kontrastieren hübsch mit dem zwischendrin immernoch kräftiges Grün. Nach dem Mühlstein Piedra del Molino, der auf dem 3200m hohen Pass aus unerklärlichen Gründen liegen gelassen wurde, kamen wir auf einen Hochebene, die dann nurnoch von kurzem Strauchgras bewachsen war. In das Valle de Encantada konnten wir leider nur von oben reinschauen und weiter ging es in den Nationalpark de Candores mit einer entsprechenden Dichte dieser stacheligen Gewächse.

Im Hintergrund sind die ersten schneebedeckten Gipfel des Cachi-Massivs zu sehen. Das Licht und die Farben sind das, was die Landschaft so interessant bzw. die Tour ausmachen. 13 Uhr kommen wir im schön ursprünglichen - sprich kolonial weißen - Cachi an. Während der zweistündigen Mittagspause lassen wir uns zunächst auf einer angenehm schattigen Außenterrasse nieder und essen leckeres Lamafleisch. Danach schlendern wir noch etwas durch den Ort in dem man sich wirklich nicht verlaufen kann.






Auf der berühmten Ruta 40 (s. "Geografie Patagoniens) fahren wir weiter nach Molinos, wo wir die Kirche und die Mühle mit Patio besichtigen. Weiter geht es durch die Quebrada de la Flecha - tolle Sandsteinformationen - und vorbei an riesigen Mengen Paprika, die auf dem Boden ausgebreitet getrocknet werden. San Carlos mit seiner schönen Kolonialkirche erreichen wir als es schon dunkel ist. Die letzte Teiletappe führt durch das Calchaqui-Tal bis wir 20:15 im Weinort Cafayate ankommen. Dort gehen wir auf der Plaza gemeinsam essen und bekommen sogar noch eine Pena (ein Musiker spielt ein paar Stücke und macht dann dem nächsten Künstler Platz) mit.

Übrigens: Hätte die Wettervorhersage Einfluss auf den Entschluss zur Tour gehabt, hätte ich mich bestimmt nicht für diesen Tag entschieden - dabei war er absolut super. Fazit: Ein sehr langer, aber überaus eindrucksreicher Tag.

2. Tag: (Mo. 2.4.) Am nächsten Morgen habe ich mich noch gewundert, warum wir nach Süden starten bis wir plötzlich am Eingang der Ruinen von Quilmes stehen. Von diesem Abstecher hatte mir die Agentur nichts erzählt, um so mehr freute ich mich nun darüber diese kulturhistorische Stätte doch noch zu sehen. Die Befestigungsanlagen wurde zu Beginn des 11. Jh. erbaut und hatte 5.000 Einwohner. Erst nach 35jähriger Gegenwehr wurde sie 1665 von den Spaniern eingenommen. Infolge dessen, dass damals 270 Familien nach Buenos Aires umgesiedelt wurden trägt heute noch eine Vorstadt den Namen dieses Indianerstammes. Ebenso das Bier, das dort gebraut wird und das populärste in Argentinien ist.




Zurück in Cafayate steht der Besuch der Bodega "Domingo & Hermano" an. Die eineinhalbstündige Mittagspause steht in Cafayate zur freien Verfügung. Ich lasse mich mit einem an einem Straßenstand gekauften Ziegenkäse und Brot im Schatten der Plaza nieder. Die Bodega, die wir anschließend besuchen, wartet mit einer sehr guten und detaillierten Erklärung auf, wie man Wein richtig degustiert: 1. kleinen Schluck in den Mund, 2. Wein im Mund bewegen, 3. leicht durch den Mund einatmen, 4. schlucken, 5. Nachgeschmack spüren.


Weiter geht es durch die absolut faszinierenden Felsformationen der Quebrada de las Conchas mit Los Castillos, Anfiteatro + La Garganta del Diablo (Teufelsschlund). Das "Krokodil" habe ich trotz waldorfgeschulter Fantasie nicht erkennen können, den "Frosch" allerdings schon. All diese Naturwunder mit Worten zu beschreiben, ist unmöglich. Aber soviel sei gesagt, es war erneut ein spannender, abwechslungsreicher Tag.

Der Begriff "Quebrada" war für mich in irgendeiner Weise schon immer vielsagend und vielbedeutend und hatte was Großartiges, obwohl ich mir garnichts Konkretes darunter vorstellen konnte. Meine Erwartung unbekannten Ursprungs hat sich voll erfüllt. Übersetzt heißt es "Quebrada" ganz banal sowohl Pass als auch Schlucht und Bach.

Montag, 16. April 2012

Salta - Kultur pur

(Fr. 30.3.) Trotz knapp 20 stündiger Fahrt habe ich leider auch tagsüber nur wenig von der Landschaft gesehen, weil im ganzen Bus die Vorhänge zugezogen waren. Nach Schlafen, Dösen, Lesen, einem Film schauen (die anderen drei habe ich mir erspart) und Bingo spielen, steige ich wider erwarten doch nicht ganz so gerädert aus dem Bus. Am Busbahnhof spricht mich ein Mitarbeiter der Hostelkette an bei der ich ohnehin reserviert habe und ich bekomme überraschenderweise einen kostenlosen Taxitransport zum Hostel. Da sagt man doch nicht nein. War auch tatsächlich ganz ohne Pferdefuss.

Bis zum - dank meiner Vorreservierung inkludierten - Abendessen schlendere ich noch gute zwei Stunden durch die Stadt; gesessen bin ich ja nun wahrlich lange genug. Ich habe nicht nur 1300 Entfernungskilometer hinter mich gebracht, sondern bin auch tatsächlich in einem anderen Ort, einer etwas anderen Welt gelandet. Während in der südlichen Teilen von Chile und Argentinien die Kolonialisierung und Einwanderung aus Europe sich stark im Aussehen der Menschen wiederfindet, nehmen hier im Norden die indigenen Einflüsse immer mehr zu. Sich hier "low profile" zu bewegen ist fast unmöglich, als Gringa (weiße Ausländerin) fällt man immer mehr auf.

Freunde alter Automodelle wären begeistert, allerdings nicht über den Zustand derselben. Ein ebenfalls sehr rege genutztes Fortbewegungsmittel ist das Mofa auf dem dann auch gern mal die ganz Familie sitzt - also Vater und Mutter mit Kleinkind im Arm. Ach ja, und Helm scheint Luxus zu sein, maximal eine Basketballmütze "schützt" den Kopf. Der sicherere Transport des Nachwuchses scheint mir im Kinderwagen zu sein. Aber, liebe junge Mütter in Deutschland, ihr würdet hier einen absoluten Anfall kriegen, denn der von Haus zu Haus ohnehin unebene Gehweg ist ausserdem kaputt. Und damit meine ich nicht , dass irgendwelche Platten gesprungen sind, sondern da sind richtige Löcher drin. Kommen wir zur Fussgängerzone, in der sehr schön einige blühende Bäumen Schatten spenden. Ich habe den Eindruck als sei jedes zweite Geschäft ein Schuhladen, am zweithäufigsten gibt es Klamotten und Handtaschen zu kaufen. Betty, wenn dir gerade dein Herz aufblüht, vergiss es. Die Schaufenster sind hier insbesondere durch ihre Neonröhrenbeleuchtung sowas von häßlich, da vergeht einem jegliche Einkaufslust. A propos vergehen... ich bin zufällig auch noch an der Markthalle und in dieser auch an den Fleischereiständen vorbeigekommen. Was die da so alles an ihren Haken hängen hatten, weiß ich nicht, aber die gehäuteten Kuhköpfe, die auf dem Tresen lagen und die mich mit ihren runden Glupschaugen anschauten und mir die Zunge rausstreckten, die hab ich erkannt.

Halb zwölf bin ich dann noch mit meinen zwei Zimmergenossen weg - einem jungen Mädel aus Buenos Aires und dem verrückten Briten Nicki, der von Ushuaia bis nach Mexiko radelt, denn die Strecke von Alaska bis Mexiko hat er bereits vor einigen Jahren hinter sich gebracht. Per Taxi ging es ins Ausgehviertel von Salta. Geplant waren ein zwei Bierchen, dann war es aber doch der bei der argentinische Jugend beliebte Fernet mit Cola. Bis die sehr gute Band die letzte Zugabe gespielt hatte und wir wieder am Hostel waren, war es 5 Uhr in der Früh.


(Sa. 31.3.) Nach einem gemächlichen Vormittag im Hostel, den ich mit etwas zähem Bilderhochladen verbracht habe, starte ich 13 Uhr zu meiner kulturellen Stadtbesichtigung. Die zentrale Plaza de 9 Julio hat - einzig in Argentinien - einen vollständig erhaltenen Arkadenumgang. Die im Inneren üppig verzierte Kathedrale steht direkt am Platz, ebenso wie der Cabildo mit dem Museo Historico Provincial, in dem man u.a. erfährt, dass Salta am Ende des 18. Jh. bereits 50 Gebäude mit zwei Geschossen hatte, während es in Buenos Aires nur 12 gab.

Auch das Casa Uriburu - eines der schönsten Kolonialgebäude der Stadt - hab ich besucht. Es ist das Geburtshaus des Präsidenten, der Argentinien von 1895-1898 regierte und der nicht aus einer armen Familie stammte, wie man dem Gebäude und der Einrichtung entnehmen kann. Zwischendurch hab ich noch wegen einer 2-tägigen Cachi-Cafayate-Rundtour recherchiert und reserviert. Die von der Plaza etwas weiter entfernten Stadtteile hab ich mir vom Bus aus angeschaut. Die im Reiseführer aufgeführte Rundtour mit der Linie 5A war echt nett, denn sie hat nochmal andere Ein- und Ausblicke geliefert. Allerdings hat sie statt einer knappen Stunde fast zwei Stunden gedauert, so dass ich hinterher beim Bezahlen der 2-Tagestour kurz unklar war, ob ich überhaupt noch mit komme. Über all die Tourbucherei hatte ich ganz vergessen, dass ich noch ins Museo Archeologia de Alta Montana wollte, in dem die gut erhaltenen Mumien der Ninos (Kinder) des Llullailaco zu sehen sind. Mit etwas Bitten weil ich die nächsten zwei Tage auf Tour bin und am Tag drauf wegen Feiertag (Dia de la Malvinas) geschlossen ist, darf ich gerade noch so reinwitschen und mir die vor über 500 Jahren in den Inkas geopferten Kindermumien anschauen, die erst 1999 in einer Höhe von 6700m gefunden wurden.

Dienstag, 10. April 2012

Bodegas oder Bettschwere für die Busfahrt

Wie erwartet sah die Welt am nächsten Tag wieder besser aus. Ich hatte die Internetprobleme mit einem eleganten Plan B gelöst indem ich in einem kleinen Schnellrestaurant gegenüber etwas konsumierte und mir das Passwort geben ließ. Top Internetverbindung mit der ich sogar das Filmchen von den Streetdancern in Santiago hochladen konnte.

Außerdem war ich für 14 Uhr mit Marga und Arnoud zu einer Wein-Tour verabredet. Denn abgesehen davon, dass einen die Streckenführung meistens ohnehin durch Mendoza führt, kommt man eigentlich wegen des Weines hier her. In der Region Mendoza werden mehr als 70% des argentinischen Weines erzeugt und immerhin ist Argentinien weltweit der fünftgrößte Weinproduzent.

Mit einem Kleinbus fahren wir nach Maipu und besichtigen dort als erstes die Bodega Lopez. Mit etwa 20 Mio. Liter pro Jahr ist sie die größte Weinkellerei, aber bei uns wenig bekannt, weil sie - abgesehen von Spanien nicht nach Europa exportieren. Die kurze Führung bringt uns auch an den Eichenfässern vorbei in denen der Wein sechs Monate "reift". Das größte derselben faßt ein beeindruckendes Volumen von 357 Hektolitern - man stelle sich 357 Badewannen vor. Ich muss schon sagen, so eine vollauto-matische Abfüllanlage hat schon war. Und dabei geht es nicht nur darum, wie der Wein in die Flasche kommt und diese verkorkt und etikettiert wird, sondern es werden abschließend sogar die 6er-Kartons auf Paletten gestapelt und das gesamte Paket für den Transport mit Plastikfolie ummantelt. Angebaut werden auf diesem Weingut Cabernet Sauvignan, Merlot und Malbec, die wir anschließend verkosten durften.

Der zweite Stop unseres Ausflugs führt uns in eine Olivenölfabrik, die nur kaltgepresstes natives Olivenöl herstellt. Es ist ein kleiner Familienbetrieb, der Wert legt auf erstklassige Qualität und nur 100.000 Liter pro Jahr herstellt. Leider hatte die Dame, die uns alles zeigte, einen schlechten Tag und erklärte sehr gehetzt und lieblos. Trotzdem habe ich gelernt, dass ein Olivenbaum 10-15 Jahre braucht, bis er die ersten Früchte trägt. Außerdem ist es nicht eine Frage der Sorte, ob eine Olive grün, braun oder gar schwarz ist, sondern lediglich wie reif sie sind. Zur Ölerzeugung werden alle unabhängig ihres Reifegrades herangezogen, dazu werden die gesamten Oliven inklusive ihres Kerns zwischen großen Granitmühlsteinen zermahlen und dann gepresst. Allein durch ihr unterschiedliches spezifisches Gewicht wird anschließend das Wasser (schwerer und sinkt ab), das ebenfalls Bestandteil der Olive ist, vom Öl getrennt. Auch hier gibt es anschließend eine kleine Verkostung.

Auf unserem Weg zum zweiten Weingut kommen wir an der historischen Bodega Giol vorbei, die seinerzeit (ich meine es war in den 1850ern) die weltweit größte Weinkellerei überhaupt war. Als Kontrast zum ersten Weingut mit Besucherzentrum und allem drum und dran, geht es abschließend zu "Cava de Don Arturo" - einem kleinen, traditionellen Familienbetrieb, der nur 1,7 Mio. Liter pro Jahr produziert. Diese werden direkt an Besucher und Restaurants verkauft, aber selbst innerhalb Argentiniens findet kein Versand statt.

Mendoza - man kann nicht immer Glück haben

Die Großstadt mit beinahe einer Million Einwohnern hat einen ebenso großen Busterminal mit 60 Einstiegen. Da es nicht nur weit bis zu meinem Hostel war, sondern auch schon dunkel, entschied ich mich für Taxi. Das Hostel war in mehrerer Hinsicht die absolute Katastrophe. Ich bin mir schon darüber im Klaren, dass 12 Euro ein kleiner Preis ist für Übernachtung mit Frühstück und bei meinen Westalpentouren gebe ich mich ja auch mit simpler, teils alter Ausstattung zufrieden. Aber diesmal... Ok, ich fang vorne an: unter dem Namen "Break Point" hatte ich mir etwas Chilliges vorgestellt, es entpuppte sich aber eher gegenteilig. Gegen "angeschlossene Bar&Restaurant" ist ja erstmal nichts einzuwenden, aber diesmal war es zumindest von der Beschallung her eher eine Disco. Und obendrüber waren die Zimmer, die an sich ganz ok waren, aber das Bad hat den Vogel abgeschossen. Das gesamte Hostel mußte sich dieses einzige Bad teilen. Es war nicht nur klein, sondern war auch noch heruntergekommen und schmutzig. Außerdem war die Dusche winzig und hatte kein warmes Wasser. Dabei hatte ich mich so auf das Haarewaschen gefreut, was ich unter diesen Umständen leider vertagen musste. Was ein Ärger, dass ich gerade hier zwei Nächte im Voraus bezahlt hatte. Zum Glück haben sie die Stornierung der zweiten Nacht ohne zu Murren hingenommen und mir das Geld zurück gegeben.

So hab ich also am nächsten Tag in ein Hostel auf der anderen Strassenseite gewechselt. Hier hatte ich das Pech, dass Check-In erst um 14 Uhr war, dabei wollte ich doch endlich meinen Kopf waschen. Auch bei der Stadtbesichtigung hatte ich kein Glück. ...


Samstag, 7. April 2012

Aconcagua - ein majestätischer Berg

Ich bin ja sowas von froh, dass ich mich für die Busfahrt tagsüber entschieden habe. Gestern hatte ich nämlich noch überlegt am Vorabend in den Nachtbus zu steigen, um "früher" da zu sein.

Zwei gigantische Täler - eines auf chilenischer, das andere auf argentinischer Seite steigen immer weiter an und treffen sich am Paso Bermejo, dessen Autotunnel auf 3185m liegt. Da es der wichtigste Andenübergang zwischen beiden Ländern ist, ist die Straße sehr gut ausgebaut. Wenn zwei Sattelschlepper in einer der 29 Kehren, die sich auf der chilenischen Seite empor winden, aneinander vorbei wollen, wird es trotzdem eng. Überwiegend ist es jedoch LKW-Verkehr, nur vereinzelt sind Busse oder PKWs unterwegs. 


Das sind die Anden, wie ich sie mir vorgestellt habe oder auch den Himalaya. Nicht mehr diese seichten Anden mit 2000-3000m Höhe, die bisher meine Reiseroute bestimmt haben. Diese Berge, die Täler und Bergmassive haben ein ganz anderes Kaliber, sind schlichtweg gigantisch. Und der Aconcagua, auf den wir vom Bus heraus einen kurz Blick werfen können, ist einfach nur majestätisch.

Dann traf ich - wie auch schon im Cochamo-Tal - eine recht kurzfristige, aber ex-post mal wieder goldrichtige Entscheidung. Das Pärchen vor mir fragte den Busfahrer, ob sie statt in Mendoza bereits in Uspallata aussteigen können. Sie wollten morgen eine Wanderung in Richtung der Südwand des Aconcagua machen - genau mein Ding. Weil ein Besuch der Punta de Inka und überhaupt der hiesigen Gegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln als umständlich und zeitaufwändig beschrieben wird, hatte ich mich gedanklich schon mit einer dieser langen, anstrengenden, organisierten Tagestouren abgefunden, bei denen man viel Zeit im Bus und wenig vorort verbringt. Ich steige also mit Marga und Arnoud nachmittags in Uspallata aus. Der Ort besteht eigentlich nur aus zwei Strassen, die sich kreuzen und ein paar Häusern entlang derselben. Da Marga Spanierin ist, waren die Infos bzgl. Unterkunft und der Abfahrtszeit des Busses morgen früh schnell eingeholt. Wir steigen im wahrsten Sinne des Wortes im Hotel Viena ab. Es schimpft sich zwar Hotel ist aber herunterge-kommener als jedes Hostel, das ich bisher hatte. Für einen ausgedehnten Mittagschlaf taugte das muldenartige Doppelbett trotzdem sehr gut. Abends vertreten wir uns entlang einer der vier Ausfallstraßen etwas die Füße und kochen noch gemeinsam ein paar Nudeln.

Als wir am nächsten Morgen um 8:15 Uhr in den Bus steigen und in die müden Gesichter derer gucken, die in Medoza eingestiegen und schon seit 3 Stunden auf den Beinen sind, fühle ich mich erneut bestätigt in meiner gesterigen Spontanität. Ich hab mir nicht nur zweimal eineinhalb Stunden Fahrt und frühes Aufstehen gespart, sondern hab auch etwas in der Höhe schlafen können. Da Uspallata auf 1900m liegt, Mendoza hingegen nur auf etwa 800m, hoffe ich die Kurzatmigkeit während der Wanderung zumindest ein klitzekleines Bischen zu entschärfen. Nach etwa einstündiger Fahrt, werden wir an der Parkverwaltung abgesetzt. Hier heißt es Registrieren und ordentlich Eintritt berappen. Meine Güte ist das reglementiert hier - unglaublich. Ich mußte das einseitige Regelwerk unterzeichnen, das auch die Höhe der Strafen nennt: Pinkeln außerhalb der am Anfang und am Ende des Trecks befindlichen Toiletten wird mit 500 US-Dollar geahndet; campen außerhalb der definierten Camps mit 1000 US-Dollar.

Und selbst für das Tages-Permit mußte ich ein zweiseitiges Formular aufüllen in dem so ziemlich Alles abgefragt wurde: von Vorerkrankungen, über aktueller Fitnesszustand, auf welcher Höhe man lebt und auf welcher man sich zuletzt aufgehalten hat, welches die maximale Höhe war, die man jemals erreicht hat, welche Blutgruppe man hat, wer im Falle eines Notfalls zu benachrichtigen ist etc. pp. Und dann noch die Sache mit den Eintrittpreisen: die kleine Permit mit der man bis zur Brücke (1 Std.) gehen darf, kostet 10 argentinische Pesos (ca. 2 Euro). Die Tages-Permit mit der man bis Confluencia auf 3400m gehen darf, kostet bereits 75 Pesos (ca. 15 Euro). In Anbetracht der Tatsache, dass man für Übernachtung mit Frühstück im Durchschnitt genausoviel bezahlt und man außerdem von der Südwand auch nicht mehr zu sehen bekommt, als mit der kleinen Permit, finde ich die Preise für hiesige Verhältnisse ganz schön teuer. So richtig zugelangt wird dann beim 3- und 7-Tages-Permit mit 380 (70 Euro) bzw. 660 Pesos (120 Euro) und natürlich beim Gipfel-Permit, welches 20-Tage gültig ist und in der Zeit von Mitte November bis Mitte März in Neben- (1200 Pesos = 220 Euro), Zwischen- (2200 Pesos = 400 Euro) und Hochsaison (3000 Pesos = 550 Euro) unterscheidet. Es ist eben der Aconcagua und mit 6962m nicht nur einer der 7 Summits, sondern der höchste Berg außerhalb des Himalyas.

Gegen 10 Uhr haben wir alle administrativen und pekuniären Hürden überwunden und laufen los. Schön gemächlich, schließlich befinden wir uns auf 2850m Höhe. Die Berge ringsum leuchten in der Morgensonne teils in kräftigem Rot. Bald haben wir die Laguna de Horcones erreicht in der sich der Aconcagua spiegelt. Den höchsten Punkt meiner bisherigen Reise - Confluencia auf 3400m - muss ich mir heute mühevoll erarbeiten. Nicht nur die absolute Höhe macht mir zu schaffen, sondern leider plagt mich auch ein Schnupfen. Um halb zwei ist es dann doch geschafft; natürlich auch dort erstmal registrieren. Den Picknick-Tisch teilen wir uns mit dem einzigen anderen Touristen, einem sehr redseeligen Japaner. Die Saison ist erst wenige Tage abgeschlossen und schon ist es hier wie ausgestorben. Während der Saison trampeln sich auf dem Weg hierher Tagestouristen und Gipfelstürmer gegenseitig auf den Füßen rum. 14 Uhr treten wir den Rückweg an, denn bevor wir zum Bus eilen können, müssen wir ja noch schön brav auschecken. 16:45 halten wir per Handzeichen den Bus an, der uns in knapp drei Stunden nach Medoza bringt.

Fazit des Tages: eine Wanderung in wunderbarer Hochgebirgslandschaft. Super war auch, dass ich mit Marga und Arnaud die ganze Zeit nur Spanisch gesprochen habe und ich - obwohl es nur ein einziger Tag war - mein Spanisch spürbar verbessern konnte. Übung macht eben doch den Meister. Und natürlich ist der Anblick des Aconcagua absolut beeindruckend. Jetzt will mich wahrscheinlich der ein oder andere fragen: "Und, willst du da mal raufsteigen?" Darauf gibts ein klares: "Ich weiß nicht". Der Berg an sich ist schon überaus reizvoll, aber der zu erwartenden Andrang und insbesondere die Reglementierung wirken ziemlich abschreckend auf mich.