Sonntag, 27. Mai 2012

Kleine Privat-Expedition zu großen Bergen (Teil 1)

(Sa. 21.4.) Der Plan bzw. die Idee war, nach einem Pausentag zu einer sechstägigen Tour aufzubrechen, welche die beiden Vulkanberge Parinacota (6342m) und Sajama (mit 6542m höchster Berg Boliviens) an der chilenisch-bolivianischen Grenze zum Ziel hatte – vorausgesetzt, ich komme mit der Höhe am Huayna Potosi zurecht. Da ich letzteren erstaunlich gut weggesteckt hatte und außerdem sehr von Nelsons menschlichen und bergsteigerischen Fähigkeiten überzeugt war, stand mein Entschluss zu dieser Anschlusstour quasi fest, noch ehe ich drüber geschlafen hatte. Dem stand eigentlich nur entgegen, dass ich wahrscheinlich aufgrund eines fischigen Abendessens Durchfall hatte. Gnadenloser Optimismus gepaart mit der Tatsache, dass es mir nachmittags besser ging, führte nicht nur zur Buchung der Tour, sondern auch dazu, dass ich – nachdem ich tagsüber nur eine Packung Cracker zu mir genommen habe – abends eine Pizza aß und meinem Magen damit wahrscheinlich zu früh zu viel zugemutet habe. Jedenfalls habe ich die Nacht wenig geschlafen, war dafür umso öfter „unterwegs“. Trotzdem stand ich um 7:30 Uhr am Büro von Altitud 6000 und war so was von froh, dass die Jungs so flexibel waren, den Beginn der Tour um einen Tag zu verschieben. Also habe ich einen Genesungstag im Hostel verbracht mit viel Crackern und einer ordentlichen Portion Schlaf.

(So. 22.4.) Jetzt geht’s endlich los mit der kleinen Expedition. Ich werde Punkt 7 Uhr von Nelson und Roberto, dem Koch, abholt und knabbere während der Fahrt ins Dorf Sajama eine halbe Packung Cracker als Frühstück. In und um La Paz ist es neblig, kalt und ungemütlich. Am Flughafen vorbei, geht es der Ausfallstraße entlang, die nach Süden führt. Hier auf dem Altiplano herrscht sichtbar mehr Armut als im Kessel der Stadt.


Als wir die letzten Häuser hinter uns gelassen haben, hält der Taxifahrer mitten auf einer Kuppe mit Überholverbot und doppelt durchgezogenem Strich an und steigt aus. Mit einem kleinen Fläschchen des 96%igen Alkohols geht er einmal ums Auto herum und benetzt jeden Reifen mit etwas Flüssigkeit. Den Rest sprenkelt er für Pachamama auf die Straße und bekreuzigt sich. Jetzt kann ja nichts mehr schief gehen. Der Sajama rückt ins Blickfeld; wir fahren an seiner beeindruckend eisigen Südflanke mit Hängegletschern vorbei.

Unweit der bolivianischen Grenze biegen wir auf einen kleinen Feldweg ein und erreichen wenig später das Dorf Sajama. An einer Schranke mit Registrierungs-häuschen muss ich mich eintragen und 30 Bolivianos Eintritt in den NP Sajama entrichten. In einer kleinen Herberge zerpflücken und verteilen wir unsere Aus-rüstung, d.h. die Sachen für den zweiten Teil der Tour werden deponiert. Bevor wir los sind, gab es zum Mittagessen noch Brötchen mit Käse und Schinken – meine erste richtige Mahlzeit. Das Dörfchen Sajama besteht wirklich nur aus ein paar Lehmziegelhütten und liegt total toll genau zwischen Sajama und den Doppelvulkanen Parinacota und Pomerape.


12:30 Uhr fahren wir mit dem Jeep los und erreichen in einer knappen Stunde das Basiscamp des Parinacota auf etwa 4770m Roberto in seiner Doppelfunktion als Träger und Koch ist ziemlich beladen. Ich trage zwar alle meine persönlichen Sachen (Schlafsack, Pickel, Steigeisen, 3 L Wasser), aber eben weder Zelt noch Nahrungsmittel. Durch Lavasand geht es in 1 ¼ Std. zum Campo Alto auf 5070m. Dort suchen wir uns ein Plätzchen von dem wir vermuten, dass es windgeschützt ist und bauen die Zelte auf. Ein sehr geräumiges – vermutlich ein 3-Mann-Zelt – für Nelson und mich und ein kleines für Roberto. Nachdem wir die Küche eingerichtet haben, d.h. einen Karton um den Kocher gestellt haben, werfen wir diesen an. Zur heißen Schokolade gibt es für mich das zweite Brötchen.


15.30 Uhr fing es an zu graupeln, so dass wir uns gezwungener-maßen ins Zelt verkrümeln, wo wir nach etwas Einrichten und Unterhalten ein Nickerchen machen. Eingepackt in die Daunenjacke krabbel ich für das Abendessen nochmal raus und vertrete mir danach noch etwas die Beine und beobachte dabei den Sonnenuntergang. Ab 19 Uhr versuche ich in Schlaf zu finden, was wie immer auf großen Höhen etwas dauert.



(Mo. 23.4.) Am Gipfeltag sind wir um 1 Uhr aufgestanden. Ich Dubbl hatte mir die Daunen-jacke nachts über die Füße gelegt, wie es sich in Patagonien eigentlich bewährt hatte. Aber dies-mal war sie vom Kondenswasser ziemlich nass. Naja man lernt nie aus. Das Frühstück war ein wenig dürftig: Nelson hat sich nur einen Tee gemacht, ich habe zusätzlich auf einem trockenen Brötchen rumgekaut und auf Nachfrage dann doch noch eine Scheibe Käse dazu bekommen. Um 2 Uhr sind wir losgestiefelt. Obwohl der Parinacota eigentlich ein sehr kalter Berg ist mit oftmals eisigen Winden, ist es heute fast mild. Ich habe über dem Fleecepulli lediglich die GoreTex-Jacke und die dünnen Handschuhe an. Bis auf eine Höhe von 5300m, die wir nach einer Stunde erreichen, gehen wir ohne Steigeisen. Ungefähr eine weitere Stunde später machen wir auf etwa 5500m eine kurze Pause. Der stets gleich steile Hang zieht sich ungemein hin und die Nacht scheint endlos. Kurz vor Sonnen-aufgang ist es mir dann doch irgendwann etwas kühl, so dass ich mir die Daunenjacke drüberziehe und von den dünnen Handschuhen auf die dicken wechsele, wobei sich herausstellte, dass man mir zwei rechte eingepackt hat.


Oberhalb von 5700/5800m wurde es dann echt hart. Ich brauche öfters kleine Pausen, stütze mich dabei teilweise auf den Pickel und mache ab und zu sogar die Augen zu und warte darauf, dass „es“ besser wird, d.h. dass ich Energie habe um weiterzugehen. Ich habe kein Kopfweh und mir ist auch nicht schlecht, aber man ist einfach ziemlich neben sich. Inzwischen ist es zwar hell, aber der Gipfel immer noch nicht in Sicht. Man fixiert einen Punkt, den man für den höchsten hält, stapft bis dorthin, schaut auf und hat weiterhin einen endlosen Schneehang vor sich. Der Gipfel scheint ständig wegzurücken; das macht ganz schön mürbe. Die letzten ungefähr 200 Höhenmeter, also ungefähr ab einer Höhe von 6000m, kam noch die Schneewühlerei hinzu. Es hat doch einiges an Neuschnee hingehauen und dieses Jahr ohnehin außergewöhnlich viel Schnee, der noch nicht verfestigt, sondern locker und somit besonders mühsam ist. Nelson hat üble Spurarbeit zu leisten. Aber da ich wirklich alle paar Schritte Pause brauche, hat auch er Zeit durchzuatmen. Selbst vom Erreichen des Kraterrandes bis zum höchsten Punkt haben wir mehrfach Stehen geblieben.


Um Punkt 9 Uhr – also nach 7 Std. Aufstieg – waren wir am 6342m hohen Gipfel - mein höchster Berg überhaupt. Der Blick in den gewaltigen 200m tiefen Krater ist beein-druckend. Wir machen die obligatorischen Gipfelfotos, aber da es gezogen hat, dort keine Pause, sondern uns direkt auf den Abstieg. Auch dieser war alles andere als geschenkt. Abschnitts-weise war der Schnee etwas fester, so dass wir gut vorankamen, aber überwiegend war er weich, tief und und anstrengend. Trotzdem geht es abwärts dann doch immer viel schneller als rauf, so dass wir nach nur knapp 2 Stunden – also Punkt 11 Uhr – wieder am Campo Alto waren.


Und da wollte ich mir schon ein paar Minuten Erholung gönnen. Für 15 Minuten lege ich mich ins Zelt, das von der Sonne jedoch tierisch aufgeheizt ist. Ich war doch ein wenig erschöpft und das anschließende Umziehen, Rucksack packen und Zelt abbauen, war mir alles zu viel. Der Abstieg ins Basislager, wo uns gegen 13 Uhr der Jeep abholte, dauerte zum Glück nur etwa 40 Minuten. Wieder im Dörfchen, sammeln wir die deponierten Sachen ein und beziehen ein paar Häuser weiter unsere einfache Unterkunft, in der wir uns ein Zimmer teilen, in dem wir auch kochen und essen. Von 15 – 17 Uhr habe ich erst mal einen gediegenen Erholungsschlaf abgehalten, der Wunder wirkte.


Leider stand weiterhin die Frage im Raum, wie es denn weiter gehen soll - sprich ob Sajama oder nicht. Mir war aufgrund des vielen Schnees klar, dass nein. Aber anstatt per Telefon zu klären ob und ggf. zurückerstattet wird, bevor wir abbrechen und zurückfahren, meinte Nelson, dass es Face-to-Face besser sei. Also haben wir uns darauf verständigt, morgen früh nach La Paz zurückzufahren. Abends gab es dann noch Reis mit Würstchen dazu, vorne weg eine Suppe und schließlich lagen wir schon von 20 Uhr jeder in seinem Loch, denn als Bett kann man diese Dinger wirklich nicht bezeichnen, jede Hängematte wäre neidisch gewesen. Dank der Anstrengung des Tages habe ich trotzdem gut geschlafen und zwar 11 Stunden am Stück!  :-)


(Di. 24.4.) Um 7 Uhr gibt es ein gemütliches, leckeres Frühstück. Der Fahrer kam um 8:30 Uhr und damit ½ Std. vor der vereinbarten Zeit. Keine Ahnung, wann wir dann wieder in La Paz waren, aber da stellt sich heraus, dass es eben doch nicht so einfach ist mit dem Erstatten. Juancho wollte mir nur 50 von den insgesamt 700 USD zurückgeben – das wäre rausgeworfenes Geld. Eigentlich wollte ich nach der Tour weiterreisen, jetzt bietet er mir an, nochmal für 2-3 Tage ins Condoriri-Gebiet zu gehen, wobei ich den Transport selbst bezahlen müsste. Und je länger ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher erscheint mir diese Lösung. Denn für 2,5 Tage 700 USD hinzulegen, erscheint mir etwas viel, auch wenn es alles reale Kosten waren mit Transport und Lebensmittel, Führer und Träger, die getreu dem Motto „Vertrag ist Vertrag“ für die vollen 6 Tage bezahlt werden. Nelson begleitet mich netterweise noch ans Hostel, wo ich ihn noch zum Cafe eingeladen habe. Eigentlich kristallisierte sich schon da für mich heraus, dass es eben doch nochmal 2-3 Tage in eine Bergregion geht, die ursprünglich nicht auf meinem Programm stand. Das wird bestimmt schön und ist allemal besser als 50 USD einzustecken und den Bergen vorzeitig den Rücken zu kehren.

Nachmittags bin ich also nochmal ins Bergbüro und habe rausgehandelt, dass Juancho auf die noch offene kleine Restzahlung von umgerechnet ca. 40 Euro verzichtet. So weit bin ich also schon mit meinen Spanischkenntnissen – liebe Cecilia – dass ich knallharte Preisverhandlungen führe ;-)

Meine Erfahrungen am Pariancota waren: höher als 6200m muß es nicht sein. Ich hätte den Gipfel allein – also in Eigenverantwortung – nicht geschafft, denn ich bin Nelson nur hinterher gewackelt. Er hat sich um die Routenführung gekümmert, er hat gespurt, alleine hätte ich das nicht hinbekommen. Für Höhen deutlich über 6000m bin ich nicht geschaffen. Irgendwo bei 5700/5800m wird es echt hart. Das hab ich gelernt, das nehme ich mit.



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Fortsetzung folgt!! Schließlich fehlt ja noch komplett Peru und Ecuador oder gut 4 Wochen... Aber sehr wahrscheinlich komme ich erst wieder in good old Germany zum posten.

Mittwoch, 23. Mai 2012

Mein erster 6000er - Huayna Potosi

Ich hatte mich also für die geführte Besteigung eines 6000m-Berges angemeldet…

(Mi. 18.4.) Ich bin um 6:50 Uhr aufgestanden, um noch im Hostel zu Frühstücken, bevor ich per Taxi zur Agentur ging. Ich bezahlte den noch offenen Betrag und meinte eigentlich auch nochmal klargestellt zu haben, dass für jeden Gast ein Guide mitgeht. Dann sind wir per Taxi zum Materialdepot gefahren – ein einfaches Zimmer in dem das Zeugs einfach nur so rumliegt – und haben dort noch die letzten Ausrüstungsgegen-stände ergänzt. Um 9 Uhr ging es mit folgenden Personen los: Bergführer Nelson, Koch Simon und Kunde Klaus, der halb Bolivianer, halb Däne ist. Juancho – Chef der Agentur – steigt nach dem Materialdepot plötzlich nicht mehr mit ein. Als ich nachfragte und reklamierte, sagte er mir ganz schnell Nelson als persönlichen Guide zu. Kurzfristig wurde per Handy Nelsons Bruder als zweiter Guide für Klaus mobilisiert. Nach zwei kleinen Fotostopps erreichen wir um 10:20 Uhr den Zongo Pass.


Am dortigen Refugio ziehen wir uns um (ich nehme doch deren GoreTex- statt meiner Tourenhose) und packen final den Rucksack (schönen warmen Expenditionsschlafsack, warme Fäustlinge und eine lange Unterhose aus Fleece nachdem meine Icebreaker ja leider bei irgendeiner Wäsche verloren gegangen ist). Um 11 Uhr laufen wir auf einer Höhe von 4800m wirklich sehr gemütlich los zum Campo Alto. Ich musste ein klein wenig mehr Schnaufen als gewöhnlich, aber ansonsten ging es mir ausgezeichnet, kein Kopfweh nix. Die auf 5130m Höhe liegende Hütte erreichen wir nach 1 ¾ Stunden. Leider ist es wolkig und die Aussicht reichlich begrenzt.


Nur wenige Minuten nach dem Losgehen hatte ich Mareike getroffen, die leider auf 5600m umkehren musste. Björn, den ich dann in der Hütte traf, wollte morgen einen zweiten Versuch unternehmen. Simon, der voraus gegangen war, stellte super leckere Nudeln mit Sahnesoße und Schinken auf den Tisch. Bereits 13:30 Uhr lag ich im dicken mummelig warmen Expeditions-schlafsack in einem der Stockbetten und gönnte mir ein 1,5 stündiges Erholungs- und Akklimatisations-schläfchen. Dann ausgiebiges Quatschen mit Björn – endlich mal wieder auf Deutsch tut auch mal gut. Bereits um 16:45 Uhr gibt es Abendessen und zwar Forelle; ja tatsächlich auf über 5100m Höhe hat Simon eine super leckere Forelle mit Kartoffelpuree serviert.


Um 18:45 Uhr hab ich die Augen zu gemacht, aber bis ca. 22 Uhr habe ich gar nicht geschlafen, sondern eher gedöst. Allein bis die Füße warm waren, verging etwa eine Stunde, aber selbst dann war es nur ein Ruhen; man ist es einfach nicht gewöhnt mit „Herzklopfen“ einzuschlafen. Nachdem ich dann nochmal kurz vor die Hütte war, um den Tee „wegzubringe“ hab ich bis zum Aufstehen um 0:30 Uhr ganz ordentlich geschlafen. Als ich abends ins Bett bin, hatte es im Refugio 7°C, morgens beim Aufstehen nur noch 4°C.


(Do. 19.4.) Beim Aufstehen habe ich weiterhin kein Kopfweh; Klaus, der andere Gipfelaspirant, fühlt sich etwas matschig. Schauen wir mal wie ich mich weiter oben fühle. Ich habe mich also aus dem wirklich kuschlig warmen Daunenschlafsack heraus und in die – dem Zwiebelprinizip folgenden – Klamotten reingeschält. Das Frühstück bestehend aus Müsli, Marmeladen-Toast und Tee aus Kokablättern schmeckt mir – ein gutes Zeichen was die Höhenverträglichkeit anbelangt. Noch in der Hütte ziehen wir die Steigeisen an und verbinden uns zur Seilschaft.

Um 1:30 Uhr stapfen wir in die dunkle Nacht hinaus und folgen im Schein unserer Stirnlampen der gut sichtbaren Spur. Weil der Huayna Potosi einer der „leichtesten 6000er“ Boliviens und außerdem gut erreichbar ist, wird er das ganze Jahr über regelmäßig bestiegen. Nelson passt sich super meinem sehr langsamen Aufstiegstempo an und betont immer wieder, dass ich in aller Ruhe meinen Rhythmus gehen soll. Die Daunenjacke, die ich zu Beginn an hatte, weil ich auf dieser Höhe und um diese Uhrzeit von kälteren Temperaturen ausgegangen war, zog ich bald aus. Björn, der eine halbe Stunde nach uns gestartet war, überholte uns. In angenehm festem Schnee ging es die sanften Gletscherhänge hinauf. Ungefähr jede Stunde blieben wir stehen und setzten die Rucksäcke ab, um zumindest etwas zu trinken. Im Dunkel der Nacht bietet nur das Lichtermeer der Stadt ein optisches Highlight. Wir kamen an Klaus vorbei, der Probleme mit den geliehenen Plastikschuhen zu haben schien und ich war froh, die 10 Euro extra für einen persönlichen Guide bezahlt zu haben.

 
Die Höhenmeter auf meiner Uhr werden nur schleichend mehr und ab ungefähr 5700m geht es nochmal langsamer, weil ich für kurze Verschnaufpausen immer wieder stehen bleibe. Einen Stunde vor Sonnenaufgang – bekanntlich die kälteste der ganzen Nacht – zieh ich mir doch noch meine Daunenjacke über. Wenig später erhellt sich allmählich der Horizont im Osten, das Schwarz der Nacht wechselt in ein Grau und erste Konturen werden sichtbar. Wir erkennen die Spur im weißen Schnee auch ohne Stirnlampe. Dafür, dass die Tour als „wenig schwierig“ klassifiziert ist, ist er Gipfelgrat überraschend alpin, d.h. schmal und ausgesetzt und erfordert die volle Aufmerksamkeit für sichere, präzise Schritte.

Punkt 6 Uhr haben wir nach 4,5 stündigem Aufstieg den Gipfel erreicht. Ein perfektes Timing, was den Sonnenaufgang anbelangt. Björn, der bereits vor einer halben Stunde hier ankam, ist schon ziemlich ausgekühlt. Wir machen noch schnell ein gemeinsames Gipfelfoto, bevor er sich auf den Rückweg macht. Ich genieße den Sonnenaufgang und den sich allmählich leerenden Gipfel in vollen Zügen.

Als erstes erstrahlt der sich nach Süden fortsetzende Gipfelgrat im ersten Sonnenlicht. Der in derselben Richtung liegende Illimani ragt mit 6439m in den bolivianischen Himmel und ist selbst aus der Ferne ein immens beeindruckendes mehrgipfliges Bergmassiv. Im Westen fasziniert mich der riesige, mit aufsteigender Sonne allmählich schrumpfende, Bergschatten des Huayna Potosis an dessen höchstem Punkt wir stehen. Am interessantesten ist aber der Blick nach Norden auf die unzähligen Gipfel, der sich noch viele Kilometer fortsetzende Königs-kordillere, die ihren Namen zu Recht trägt. Nach ausgiebigem Fotografieren und drehen eines kleinen Rundum-Panorama-Videos, haben wir den Gipfel schließlich ganz für uns alleine.


Aber 6:30 Uhr heißt es auch für uns Abschied nehmen von diesem einzigartigen Fleckchen. Das gesamte Ausmaß des Tiefblicks vom Gipfelgrat in die 1000m hohe Westwand erschließt sich erst jetzt im Abstieg bei Tageslicht; also volle Konzentration. Die sich anschließenden flachen Gletscherhängen liegen inzwischen in der prallen Sonne und heizen sich schnell auf. Viertel nach acht bin ich ziemlich geschafft, aber glücklich wieder am Campo Alto. Nach kurzem Verschnaufen vor der Hütte, serviert Simon eine kräftigende Suppe. Während ich drinnen löffle, scheint es Klaus draußen gar nicht gut zu gehen. Die Kombination aus Höhe und Anstrengung führen bei ihm zu Erbrechen.


Bevor wir alles zusammen packen und den restlichen Abstieg antreten, legen wir uns für etwa eine Stunde in die Schlafsäcke und genießen ein Erholungsschläfchen. Danach bin ich ziemlich gut wieder hergestellt, zumindest insofern, dass ich frisch genug bin für die 1:15 Stunden bis zum unteren Refugio. Von dort geht es gegen 11:30 Uhr mit dem Taxi zurück nach La Paz. Ein platter Reifen ist in Formel 1-verdächtiger Geschwindigkeit gewechselt – kommt bei diesen Pisten wohl öfters vor. Bereits halb zwei bin ich wieder im Hostel und nach einer heißen Dusche, was zu Essen und einem schönen Mittagschlaf, schmiede ich bereits neue Pläne für Größeres bzw. Höheres.

Sonntag, 13. Mai 2012

Death-Road – Papa's Warnung kam zu spät

(Di. 17.4.) Drei Tage nachdem ich die Death-Road (Yungas-Straße) mit dem Mountainbike hinuntergefahren war, schickte mir mein Vater diesen Link mit den gefährlichsten Straßen weltweit und riet mir die Nr. 2 auszulassen. Ihr erratet welche das ist! Diese Straße war lange Zeit die einzige Verbindung zwischen La Paz und den Regenwäldern des Amazonasbeckens und entsprechend stark befahren. http://web.de/magazine/reise/bildergalerie/bilder/15211132_p10-gefaehrlichsten-strassen.html#10

Bereits 6.20 Uhr war Aufstehen angesagt, weil man sich um 7 Uhr in einem kleinen Cafe zum Frühstück einfinden sollte. Laut Agentur sollte dort 7:15 Uhr der Guide auftauchen. Letztendlich sammelte er uns 8:20 Uhr ein, so dass wir mit reichlich Verspätung gestartet sind und dadurch im morgendlichen Verkehrschaos und Stau festhingen.

Nach einem Tankstopp fahren wir schließlich bis zum höchsten Punkt der Tour bei 4850m. Dort werden die Räder verteilt, die reichlich technische Probleme aufweisen. Die Israelis, die sich offenbar mit Bikes auskennen, können beurteilen, welch lumpiges Material das ist. So wird bei dem einen Rad erst einmal die komplette Schaltung ausgetauscht. Eines der Räder wird sozusagen als Ersatzteillager verwendet. Das hat zur Konsequenz, dass der zweite Guide, der eigentlich vorgesehen war, um die 8er Gruppe aufzuteilen zu können, letztendlich mangels Bike nicht mitfahren konnte, sondern im Begleitfahrzeug saß. Nach dem Einkleiden sollten wir die Bikes im Flachen etwas ausprobieren. Prompt hat sich meine Schaltung mit einer Mischung aus Schlamm und Kies zugesetzt, so dass sie nicht mehr griff und gereinigt werden musste.

 
10 Uhr sind wir dann endlich die ersten Meter auf der Asphaltstraße den Berg runter gerollt. Es war ziemlich kalt und da war ich mehr als froh, dass ich am frühen Morgen einen super hellen Moment hatte in dem ich meine GoreTex-Jacke eingepackt und gleich zu Beginn angezogen hatte. Wir waren noch keine 5 Minuten unterwegs, da hat es angefangen zu regnen. Die ersten 500 Höhenmeter bis zu einer Straßenkontrolle an der wir uns unterstellen konnten, waren wir in 20 Min. gefahren. Dort haben wir etwas gewartet, aber der Regen wurde eher schlimmer. Bis 4200m sind wir dann noch gerollte, aber weil das alles nicht so wirklich Spaß machte und die, die nur einen Pulli anhatten sich wirklich den A. abgefroren haben, wurden die Räder wieder auf das Dach gepackt und wir sind den zweiten Teil der Teerstraße mit dem Bus runtergefahren. „So schlechtes Wetter hatten sie schon 2-3 Monate nicht mehr“ versuchte Marcello, der Guide, zu trösten. Am Checkpoint an dem man das kleine Eintrittsgeld für die Todesstraße entrichten muss, kaufe ich mir einen Tee, den ich „zum Mitnehmen“ in einer kleinen Plastiktüte mit Strohhalm bekomme.

Dann kommen ein paar ansteigende Kilometer, bevor wir den eigentlichen Einstieg zur eigentlichen Death-Road erreichen. Die dortige kurze Instruktion hat mehr oder minder zum Inhalt, dass wir insbesondere anfangs langsam fahren sollen. Ach ja und dass eigentlich Linksverkehr herrscht (damit die Fahrer sehen, wie viele Zentimeter Abstand ihr Reifen zum Abgrund hat), dass wir aber dennoch auf die rechte (Berg-)Seite ausweichen dürften, falls es uns am Abgrund zu heikel erscheint.

12 Uhr geht’s dann tatsächlich los. Vor uns liegen etwa 45km km auf denen wir sage und schreibe 3400 Höhenmeter „vernichten“ müssen. Die Schotterpiste ist einspurig und führt ohne Leitplanken an steilen Abhängen entlang. Außerdem sorgen Nebel und teilweise Regen für schlechte Sicht. Zum Glück kommt uns aber die nächsten drei Stunden kein Verkehr entgegen. Erst auf den allerletzten Kilometern, wo die Straße bereits breit ist, vier PKWs. Es war also mit Blick auf „Gefährlichkeit“ und „Death“ total harmlos, denn man konnte den Speed ja selbst kontrollieren. Wenn man also nicht zu schnell in die Kurven fährt, ist das Risiko echt überschaubar. Aufgrund der vielen Regenwolken hatten wir im oberen Teil leider keine ganz so dolle Aussicht, aber hier und da tat sich am Straßenrand doch mehr Tiefblick in den Abgrund auf, als man so erwartet hatte. Als Kletterer und Bergsteiger bin ich diese Perspektive zum Glück gewohnt, denn verkrampfen sollte man besser nicht.


Einmal haben wir wirklich Glück, weil wir noch ein Stück weiterfahren bis wir zwei Unterstände erreichen und erst dort auf die letzten warten. Kaum haben wir sie erreicht, geht ein gewaltiger Platzregen nieder, der sich im wahrsten Sinne des Wortes gewaschen hat oder Regenwald eben. Diesen Stopp haben wir auch dazu genutzt, meine Hinterbremse – bekanntlich die wichtigere beim Downhill – zu reparieren. Nachdem sie anfangs noch gut gearbeitet hatte, ließ die Bremswirkung immer mehr nach.

 
Die Landschaft ist echt toll und vor allem völlig anders als alles, was ich bisher auf meiner Reise gesehen habe und erstaunlicher-weise auch ganz anders als um La Paz herum. Um La Paz herum hat es überhaupt keine Büsche und Bäume. Hier überall dichtester Bewuchs – Dschungel eben; total interessant. Auch wie sich das Klima änderte: oben noch saukalt, wird es mit jeder Kurve um die wir herumkommen etwas wärmer, feuchter und schließlich tropisch schwül. Schlagartig muss ich mich von GoreTex-Jacke und Fleece befreien. Es war also eine tolle Kombination aus schönem Naturerlebnis und einem schönem Down-Hill, was großen Spaß gemacht hat.


Wenn man es nicht übertreibt ist die Straße heutzutage halb so gefährlich wie der Name „Death-Road“ und ihr Ruf vermuten lassen. Aber man muss schon sagen, vor 2006 – als es die neue Straße noch nicht gab und hier der normale Verkehr drüber gelaufen ist – war das ganz klar eine völlig andere Nummer. Auf einer einspurigen Straße passen LKWs und Busse nur bedingt aneinander vorbei, so dass es zwangsweise regelmäßig zu prekären Ausweichmanövern kam. Dem gegenüber ist es für hintereinander fahrende Bikes natürlich easy. In den letzten 15 Jahren, seit sie 1995 hier die Mountainbike-Touren für Touristen machen, sind „nur“ 15 Leute ums Leben gekommen. Als es noch Normalstraße war, waren es jährlich zwischen 150 und 300.


Ich hab ja null Mountainbike-Erfahrung, aber die Enduro-Fahrerei scheint mir doch sehr geholfen zu haben. Die zwei israelischen Cracks, die immer vorneweg gebrettert sind, haben sich durchaus lobend über meine Künste geäußert. Die Tour endete tatsächlich auf 1200m mitten im Dschungel. Alle etwa 8 Tour-Busse trafen sich am selben Resort, das Buffet, Duschgelegenheiten inkl. Handtuch und Seife und einen Swimmingpool bot, bevor es dann die 3,5 Stunden zurück nach La Paz ging.

La Paz – Tiefpunkt meiner Reise

(So. 15.4.) Ich war am Vorabend um 20:45 Uhr in Potosi weggefahren, hatte es mir auf meinem Cama-Sessel bequem gemacht, recht gut geschlafen und bin 5:45 Uhr in La Paz ausgestiegen. Per Taxi bin ich zum Hostel gefahren, wo man von meiner Reservierung nichts wußte. Ich hab trotzdem ein Bett in einem 5er Zimmer bekommen, das ich sogar gleich beziehen durfte und glatt nochmal drei Stunden Schlaf drangehängt habe. Dann bin ich in die Cafeteria des Hostels und hab mir ein für hiesige Verhältnisse überteuertes, aber für 3 Euro immer noch günstiges Frühstück mit Rührei und Saft, Toast, Schinken, Brötchen, Butter und Marmelade gegönnt. Um 11 Uhr hab ich mich im Patio in die Sonne gesetzt und im Reiseführer über La Paz gelesen.


Ich bin 13 Uhr losgezogen und keine zwei Stunden später hatten sie mich mittels vorgespielter Zivilpolizei bereits um meinen Geldgürtel erleichtert. Der reine Geldverlust ist das eine, schlimmer für mich war das Gefühl betrogen worden zu sein und doch nichts machen zu können. Ich erspare mir dieses Mal die Anzeige. In Santiago hatte ich es noch relativ locker weggesteckt, aber diesmal war ich schlicht weg zu tiefst enttäuscht. Das war der absolute Tiefpunkt meiner Reise. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr die Stadt zu erkunden, dabei hat sie angeblich so viel zu bieten. Den restlichen Nachmittag verbringe ich im Hostel mit Blog texten, während es zwischendurch gewittert und geregnet. Abends fahre ich mit zwei Engländerinnen per Taxi zu einem Thai-Curry-Restaurant, das dann aber zu hatte. Außerdem hatten sich die zwei mit der Zeit verkalkuliert und mußten dann doch direkt zum Busbahnhof. Ich bin dann eine Ecke weiter in einem Restaurant gelandet, habe Fisch gegessen und anschließend per Taxi wieder zurück.


(Mo. 16.4.) Heute hätte ich gerne ausgeschlafen, aber die drei Israelis, die mit im Zimmer waren, meinten im Viertelstunden-takt aufstehen zu müssen und ihre Rucksäcke komplett neu packen zu müssen. Als sie um 7 Uhr schließlich alle draußen waren, bin ich wach und kann leider auch nicht mehr einschlafen. Ich drück mich noch ein wenig im Bett rum und stehe dann eben doch vor 8 Uhr auf. Nach einem gemütlichen Frühstück und Reiseführer lesen, bin ich in die Stadt um Infos zu Mountainbike- und Bergtouren einzuholen. Die Recherche habe ich als gute Gelegenheit angesehen  mich in den unterschiedlichen Agenturen jeweils ausgiebig in Spanisch zu unterhalten. 14:30 Uhr war ich wieder am Hostel, voll mit Infos und habe erst einmal in den Kalender geschaut, ob und wie eine 6-Tagestour zum Parinacota und Sajama am besten in den Zeitplan reinpaßt. Am späten Nachmittag bin ich dann nochmal los und habe die Biketour auf der Deathroad gebucht und bei Altitud 6000 die Anzahlung für den Huayna Potosi – einen 6000er – gemacht. Anschließend bin ich in das Curry-Restaurant, der gestern zuhatte.


Insgesamt ist zu La Paz zu sagen: es ist sehr sauber, was mir gleich anfangs aufgefallen ist. Es liegt nichts Weggeworfenes rum, auch keine Tretminen. Außerdem hat es eine sehr hohe Polizeipräsenz – fast an jeder Ecke steht einer; nur leider nicht am gestrigen Sonntagvormittag, so dass man mich easy abrippen konnte. Die Straßen sind zwar sehr sauber, dafür stinken die Autos umso mehr und die Häuser sind im allgemeinen unverputzte Ziegelbauten.. Die Stadt ist sehr quirlig und wuselig mit den ganzen Sammeltaxen, Privattaxen, Truffis und Bussen.


Eine bunte Mischung aus jungen Leuten, die in Jeans und allgemein eher europäisch gekleidet rumlaufen, Geschäftsleuten und eben den Indigenafrauen mit ihren Faltenröcken, ihren bunten Umhängetüchern ihren Bowlerhüten. Gut gefällt mir, dass an jeder zweiten Strassenecke ein Stand ist an dem man frisch Orangensaft bekommt, der erst gepresst wird, wenn man ihn kauft. Das ist wirklich eine feine Sache und kostet umgerechnet nur 30 Eurocent. Auch jede Menge Schuhputzer entdecken meine schmutzigen Schuhe und sprechen mich an. Ihre maskierten Gesichter sind mir allerdings unheimlich und schrecken mich ab. Besonders interessant fand ich auch die Strasse der Handwerker. Nicht im Sinne von eine Werkstatt reiht sich an die nächste, sondern am Straßenrand stehen die Handwerkertaschen auf denen das jeweilige Gewerk steht, vom Flaschner, Elektriker, Maler, alles. Leider habe ich davon – wie überhaupt von La Paz – kaum Fotos, weil ich nicht mehr getraute die Kamera mitzunehmen.

Mein absolutes Lieblingsbild:

Samstag, 12. Mai 2012

Potosi - Minenbesuch

Wir kamen nachmittags um halb fünf in Potosi – angeblich mit 4000m die höchstgelegene Stadt – an. Für (65 Bol.) umgerechnet 6,50 Euro bekomme ich ein Einzelzimmer und nach einer schönen heißen Dusche, die erfreulicherweise sogar zum Haarewaschen taugt, schlenderte ich mit Marga und Arnoud zwischen den schönen kolonialen Gebäuden hindurch, die Teil des UNESCO-Weltkulturerbes sind. Schließlich sind wir in einem schönen Restaurant Essen gegangen – ich Lamafleisch.


(Sa. 14.4.) Die Minen-Besichtigungstour startete direkt im Hostel, wo wir mit Gummistiefel, Hose, Jacke, Helm und Lampe eingekleidet wurden. Dann sind wir im Kleinbus die steilen Straßen von Potosi hochgefahren zu ein paar Verkaufsständen, an denen wir für die Mienenarbeiter Geschenke d.h. Coca-Blätter und Saft einkauften. Es sind dort aber auch 96%iger Alkohol erhältlich und Dynamitstangen – weltweit übrigens der einzige Markt an dem hochexplosiver Sprengstoff von jedermann legal erwerbbar ist. Gegen 10:30 Uhr ging es dann auf einer Höhe von ca. 4200m in gebückter Haltung in einen der Stollen rein, in dem wir uns ganze zweieinhalb Stunden aufhielten. Das Ganze war schon sehr eindrücklich; diese primitive Art der Schächte und der Elektrizität, der Schienen, all der Matsch, die Enge. Wir haben uns insgesamt drei der fünf Stockwerke nach oben geschafft. Wer hierbei an irgendeine Art Treppenhaus denkt, muss revidieren: es handelt sich dabei eher um Löcher in der Decke durch die man über irgendwelche glitschigen Tritte und sich am nassen Gebälk festhaltend hochklettert.



Schade war, dass wir – weil Samstag war – nicht den normalen Mienenbetrieb beobachten konnten. Wir haben drei getroffen, die heute arbeiteten, wobei mir nicht so ganz klar war, was sie eigentlich arbeiteten. Denn die Elektrizität ist abgeklemmt, so dass weder die Winsch noch die Lüftung funktioniert. Als wir weiter gingen, hörten wir direkt hintereinander drei kleine Explosionen mit denen etwa ein Kubikmeter Granit weggesprengt wurde. Die zweite Gruppe Minenarbeiter, die wir trafen, war heute eher am Feiern, weil sie zuvor eine gute Ader entdeckt haben. Der 96%ige Alkohol  wurde mit unserem mitgebrachten Saft gemischt. Wir durften natürlich auch mittrinken - Prost! Außerdem „sitzen sie“ im wahrsten Sinne des Wortes auf einigen Säcken guten Zinns, aber weil ihnen der Weltmarktpreis dafür aktuell zu niedrig ist, horten sie es im Stollen, statt es zu Tage zu fördern.


Insgesamt gibt es 500 Eingänge in den Cerro Rico – den reichen Berg – und 22.000 Stollen. Von der Hauptebene geht es fünf Etagen nach oben und fünf nach unten. Der Berg ist also mehr ein schweizer Käse. Trotzdem wird es mit Blick auf die Stabilität nicht für bedenklich gehalten, weil es sich um hartes Granitgestein handelt. Wir erfahren auch, dass während der Kolonialzeit die Indigenos permanent unter Tage arbeiten mußten und erst nach sechs Monate wieder ans Tageslicht durften, es sei denn sie sind vorher gestorben, was durchaus auch vorkam. Tausende haben in den Minen den Tod gefunden. Aber auch heutzutage werden die Kumpels nicht besonders alt, ich habe was von 45 Jahren gehört. Die drei Jungs, die wir getroffen haben, waren alle Anfang zwanzig, sahen aber älter aus; die meisten haben recht bald eine Staublunge. Ach, was freue ich mich schon heute darauf im Juni wieder gepflegt an meinem Schreibtisch sitzen zu dürfen!   :-)


Um die Mittagszeit war ich wieder am Hostel und bin mit ein paar Italienern losgezogen, die ebenfalls auf der Suche nach was zu essen waren. Als sie sich in einem Schnellrestaurant niederließen in dem es nur Hühnchen mit Reis gab, hab ich mich ausgeklinkt und mich stattdessen bei den Strassenständen mit einer Teigtasche mit Tomaten versorgt und mir im Nachgang noch was Süßes im Fett rausgebackenes mit Honig und zwei frisch gepresste Orangensäfte dazu gegönnt. Quer durch die sehr wuseligen Märkte, die schon fast was von Basar haben, gehe ich in die Casa de la Moneda, heute eines der bedeutendsten Museen Boliviens. Ich nehme an der eineinhalb stündigen Führung teil und erfahre viele interessante Details über die ehemalige Münzprägesanstalt.

Bolivianische Wüste bis Salar de Uyuni

(Mi. 11.4.) Für 7:30 Uhr war die Abholung angesetzt. Abgeholt wurden wir d.h. das holländische Pärchen mittleren Alters und ich als erste des gesamten Minibusses allerdings erst um 8:10 Uhr. Somit kamen wir quasi als aller letzte an der Grenze an und mussten aufgrund der sehr langen Schlage und weil wie immer alles sehr langsam geht, volle 1,5 Stunden warten. mußten. Dann fahren wir zur bolivianischen Grenze, die wir 11 Uhr erreichen. Den Einreisestempel holen wir uns in einer Baracke, nicht mal Toiletten gibt es dort, obwohl alle Touren vor dem tatsächlichen Tourstart nochmal Frühstück machen. Dann werden wir auf die beiden Jeeps verteilt, die großen Rucksäcke auf das Dach gepackt und 12 Uhr geht es los.


An der Laguna Blanca müssen wir ein Eintrittsgeld von 150 Bolivianos bezahlen, was für hiesige Verhältnisse ziemlich teuer ist. An der Laguna Verde mit dem Vulkan Lincancabur im Hintergrund, machen wir einen kurzen Fotostopp. Danach fahren wir an den sog. Piedras Dali vorbei. Das sind von Wind und Wetter interessant geformte Steinformationen, die allmählich vom Sand zugeweht und verdeckt werden. Überhaupt bietet sich ein sehr schönes Farbenspiel, die ganze Landschaft ist abwechslungsreich.


Ein Stück weiter halten wir an einer weiteren Laguna, an deren Rand eine heiße Quelle zu einem entspannenden Bad einladen. 14:30 Uhr bzw. bolivianische Zeit 13:30 Uhr geht es weiter. Nachdem das Baden auf einer Höhe von 4400m war, sind wir kurz drauf auf 4880m - also höher als der Mont Blanc. Schon witzig auf solchen Höhen mit dem Auto rumzufahren. Ich vertrage die Höhe absolut top. Ob es daran liegt, dass wir heute nur passiv im Auto sitzen und uns nicht anstrengend oder macht sich das gestrige Leiden nach der Vulkanbesteigung nun doch bezahlt? Oder sind es doch die Kokablätter, die ich um eventuellen Problemen vorzubeugen, die ich gekaut und in die Backe gestopft habe? Egal, Hauptsache mir geht es gut! Das Kauen dieser Blätter ebenso wie Kokatee ist von Nordargentinien, über Bolivien bis Südperu absolut normal und verbreitet und hat mit Drogen überhaupt nichts zu tun. Aus 300kg Kokablättern, werden etwa 2,5kg Kokapaste hergestellt, was aber noch lange kein Kokain ist.

Weiter geht es zu einem Gysir-Feld, ähnlich dem bei San Pedro und doch wieder ganz anders. Der Qualm roch diesmal sehr streng und der Guide empfahl uns dringend das Zeug nicht allzu üppig einzuatmen – es sei toxisch. Zu der Höhe kommt auch noch ein heftiger Wind dazu, so dass es insgesamt ziemlich kalt ist und wir alle bald wieder im Jeep sitzen.



Gegen 15 Uhr erreichten wir unsere Unterkunft an der Laguna Colorado und beziehen alle ein Gemeinschaftszimmer. 16 Uhr, was sich für meinen noch nach der chilenischen Uhr tickende Magen jedoch nach 17 Uhr - also halb verhungert - anfühlt, gibt es Mittagessen: Kartoffelbrei, Würstchen, Fleisch, Tomaten und Gurken. Den anschließenden Verdauungsspaziergang mache ich mit Marga und Arnoud zum Aussichtspunkt über die Laguna Colorado. Es bietet sich uns eine sehr schöne Landschaft mit knall rotem Wasser, weißem Borax, sowie rosa und grauen Flamingos.


Vom Aussichtspunkt aus habe ich mir den Sonnenuntergang angeschaut. Mit der Sonne im Rücken habe ich beobachtet, wie sich die Landschaft und ihre Färbung in sehr interessanter Weise verändert. Während die anderen alle schon relativ früh zurück sind, habe ich es dank Daunenjäcken gut ausgehalten bis die Sonne kurz nach 18 Uhr komplett hinter den Bergen verschwunden war. Als ich um 18:30 Uhr wieder in der Unterkunft war, gab es auch schon bald Abendessen: Suppe und dann Spagetti. 21:30 Uhr hatten alle ausser mir die Äuglein schon zu, da hab ich mich dann auch nicht länger getraut auf meiner Tastatur rumzutippen.


(Do. 12.4.) 6:30 Uhr hab ich mich für einen einstündigen Spaziergang rausgeschlichen. Weil es heute sehr wolkenverhangen ist, gibt es leider keinen schönen Sonnenaufgang, was die eigentliche Motivation für das frühe Aufstehen war. Es war trotzdem toll, das sich verändernde Morgenlicht zu beobachten, auch wenn es insgesamt eine eher düstere Stimmung war. 7:30 Uhr bin ich pünktlich zum Frühstück zurück und 8:20 Uhr setzten wir unsere Reise fort.

Der erste Stopp ist beim Piedra de Arbol (übersetzt Felsenbaum), diesen schönen Sandsteinformationen, die vulkanischen Ursprungs sind. So kurrios geformte Felsen, sind für mich ja immer super spannend und ich könnte mit dort beliebig lange aufhalten und rumkraxeln. Danach geht es durch eine grobsandige Gegend, in der unser Fahrer Andres schon mal den Allrad zuschalten muss, insbesondere wenn es bergauf geht. Die Laguna Honda (heißt tief) kommt in Sicht. Alles ist immer noch sehr Wolkenverhangen und es fängt sogar ein bischen an zu tröpfeln - Regen in der Wüste - echt spannend.


Geschlafen haben wir auf 4300m, der Holländerin ging es aufgrund der Höhe gar nicht gut. Am nächsten Tag haben wir uns hauptsächlich zwischen 4400m und 4700m bewegt. Der Nieselregen, den wir an der Laguna Honda hatten, hat sich zu richtigem Regen entwickelt und wenn die Strecke eher höher verlief schneite es. Das ist sehr sehr ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Unser Fahrer hat das so noch nie erlebt. Ach ja, kleines nettes Detail: wer meint, dass sich der Scheibenwischer des Jeeps vom Lenkrad aus bedienen lässt, der hat sich mächtig getäuscht, dazu muss man aussteigen und die Motorhaube aufmachen. Allmählich war nämlich alles weiß.


An zwei weiteren Lagunen sind wir lediglich vorbei gefahren, weil aufgrund des garstigen Wetters keiner anhalten geschweige denn aussteigen wollte. Überhaupt war heute außer der grau grauen Wolkensuppe leider nicht viel zu sehen - also kein Vergleich zu den gestrigen atemberaubenden Landschaften und Ausblicken. Als es aufhörte zu regnen, war für einige Minuten eine sehr mystische Stimmung. Denn die Sonne ließ stellenweise ihr Licht durchblicken und der warme, regennasse Wüstenboden dampfte.


Mit der Mittagspause haben wir riesen Glück, weil es da gerade mal nicht regnet. Auf der Ladefläche der Jeeps gibt es Buffet: Thunfisch, Mais, Tomaten, Gurken und Reis. Der Stopp fand im Valle de la Roca statt, so dass man während der Zubereitungszeit und nach dem Essen auch nochmal eine halbe Stunde zwischen skurril geformten Felsformationen umherwandeln konnte.


Als wir weiterfahren kommen wir auf die Haupt- bzw. Nationalstrasse, die sich aufgrund des Regens von einer Staub- in eine Schlammpiste verwandelt hat. Das Fahren ist reichlich erschwert. Trotz einer maximalen Geschwindigkeit von 50 km/h, schlingern wir ganz schön hin und her. Der Himmel hat mittlerweile stellenweise wieder aufgerissen. Das Farbenspiel vom ersten Tag, was mich ständig hat Staunen lassen und mir alle fünf Minuten das Gefühl gegeben hat, dass wir uns wo komplett anderes befinden, fiel am Vormittag des zweiten Tages komplett den Wolken zum Opfer. Nach dem Mittagessen war das Wetter zwar besser, dafür die Landschaft relativ eintönig und unspannend. Nur ein paar Quina-Felder leuchten rot, hier und da mal ein paar Lamas und Vicunias, aber ansonsten eigentlich nicht viel. In einem Dorf namens San Christobal machen wir einen kurzen Stopp. Das Dorf gilt als reich, denn es wurde vor 25 Jahren verlegt, weil am ursprünglichen Standort eine Goldmine entdeckt wurde, die seither "ausgebeutet" wird.

Uyuni – als erste bolivianischen Stadt, die ich kennenlerne – ist ein erschreckend vermüllter Ort, aber mehr als uns gleich für den nächsten Tag ein Busticket nach Potosi zu kaufen, einmal zu Abend zu essen und zu übernachten, ist hier eh nicht geplant. Ich „genieße“ meine erste Elektrodusche, d.h. man hat die Wahl zwischen ein paar warmen Tropfen und fließendem, aber dafür kaltem Wasser. Ich entscheide mich spontan das Haarewaschen in der Hoffnung auf eine bessere Duschgelegenheit zu vertagen.


(Fr. 13.4.) Am nächsten Morgen ist frühes Aufstehen angesagt, weil wir auf oder in den Salzsee fahren wollen, um dort den Sonnenaufgang zu beobachten. Laut Wikipedia ist der Salar de Uyuni halb so groß wie Hessen oder ein Viertel so groß wie die Schweiz, ok unser bolivianischer Guide hat behauptet genauso groß, aber das war wahrscheinlich etwas sehr großzügig nach oben aufgerundet.


Durch die starken Regenfälle der letzten Zeit war weder die Isla del Pescado noch die Isla Incahuasi, die sonst zumindest in der Trockenzeit von den Touren angefahren werden, erreichbar. Sogar auf dem Weg zum Salzhotel, welcher laut unserem Guide letzte Woche noch trocken war, fuhren wir bereits auf dem Weg zum Salzhotel, welches nur etwa 5 km vom „Ufer“ des Salzsees entfernt liegt, durch bis zu 20cm tiefes Wasser. Beeindruckend wie der Fahrer sich hier bei der Hinfahrt im Dunkeln orientierte. Das Salzhotel ist tatsächlich aus Salzblöcken errichtet auch die Tische und Bänke an denen wir später unser Frühstück einnehmen. Der eigentliche Sonnenaufgang versteckt sich leider etwas hinter Wolken, aber das Licht und vor allem diese unbeschreiblich große, ebene, weiße und – dort wo Wasser ist – glänzende Fläche, sind einmalig.



Als die Sonne dann da war, haben wir noch einige lustige Bilder gemacht und das Wasser als Spiegel benutzt. Himmel und Erde und Wasser und Luft sind einfach nicht zu unterscheiden – einfach klasse. Um meine Lederschuhe im Salzwasser nicht völlig zu ruinieren, war ich auf Flipflops umgestiegen. Aber ich sag euch, das Wasser war a….. kalt – wir sind eben doch noch auf 3800m Höhe. Abgesehen davon, dass der Salar auch heute noch zum Salzabbau genutzt wird, wie wir auf der Rückfahrt sehen (Salzhügel im Wasser und Besichtigung einer kleinen Abfüllhütte in der ein etwa achtjähriger arbeitete), gilt der See als eines der weltweit größten Lithiumvorkommen. Bleibt zu hoffen, dass beim Abbau kein allzu großer Raubbau an der diesem Naturwunder betrieben wird.