(So. 22.4.) Jetzt geht’s endlich los mit der kleinen Expedition. Ich werde Punkt 7 Uhr von Nelson und Roberto, dem Koch, abholt und knabbere während der Fahrt ins Dorf Sajama eine halbe Packung Cracker als Frühstück. In und um La Paz ist es neblig, kalt und ungemütlich. Am Flughafen vorbei, geht es der Ausfallstraße entlang, die nach Süden führt. Hier auf dem Altiplano herrscht sichtbar mehr Armut als im Kessel der Stadt.
Als wir die letzten Häuser hinter uns gelassen haben, hält der Taxifahrer mitten auf einer Kuppe mit Überholverbot und doppelt durchgezogenem Strich an und steigt aus. Mit einem kleinen Fläschchen des 96%igen Alkohols geht er einmal ums Auto herum und benetzt jeden Reifen mit etwas Flüssigkeit. Den Rest sprenkelt er für Pachamama auf die Straße und bekreuzigt sich. Jetzt kann ja nichts mehr schief gehen. Der Sajama rückt ins Blickfeld; wir fahren an seiner beeindruckend eisigen Südflanke mit Hängegletschern vorbei.
Unweit der bolivianischen Grenze biegen wir auf einen kleinen Feldweg ein und erreichen wenig später das Dorf Sajama. An einer Schranke mit Registrierungs-häuschen muss ich mich eintragen und 30 Bolivianos Eintritt in den NP Sajama entrichten. In einer kleinen Herberge zerpflücken und verteilen wir unsere Aus-rüstung, d.h. die Sachen für den zweiten Teil der Tour werden deponiert. Bevor wir los sind, gab es zum Mittagessen noch Brötchen mit Käse und Schinken – meine erste richtige Mahlzeit. Das Dörfchen Sajama besteht wirklich nur aus ein paar Lehmziegelhütten und liegt total toll genau zwischen Sajama und den Doppelvulkanen Parinacota und Pomerape.
12:30 Uhr fahren wir mit dem Jeep los und erreichen in einer knappen Stunde das Basiscamp des Parinacota auf etwa 4770m Roberto in seiner Doppelfunktion als Träger und Koch ist ziemlich beladen. Ich trage zwar alle meine persönlichen Sachen (Schlafsack, Pickel, Steigeisen, 3 L Wasser), aber eben weder Zelt noch Nahrungsmittel. Durch Lavasand geht es in 1 ¼ Std. zum Campo Alto auf 5070m. Dort suchen wir uns ein Plätzchen von dem wir vermuten, dass es windgeschützt ist und bauen die Zelte auf. Ein sehr geräumiges – vermutlich ein 3-Mann-Zelt – für Nelson und mich und ein kleines für Roberto. Nachdem wir die Küche eingerichtet haben, d.h. einen Karton um den Kocher gestellt haben, werfen wir diesen an. Zur heißen Schokolade gibt es für mich das zweite Brötchen.
15.30 Uhr fing es an zu graupeln, so dass wir uns gezwungener-maßen ins Zelt verkrümeln, wo wir nach etwas Einrichten und Unterhalten ein Nickerchen machen. Eingepackt in die Daunenjacke krabbel ich für das Abendessen nochmal raus und vertrete mir danach noch etwas die Beine und beobachte dabei den Sonnenuntergang. Ab 19 Uhr versuche ich in Schlaf zu finden, was wie immer auf großen Höhen etwas dauert.
(Mo. 23.4.) Am Gipfeltag sind wir um 1 Uhr aufgestanden. Ich Dubbl hatte mir die Daunen-jacke nachts über die Füße gelegt, wie es sich in Patagonien eigentlich bewährt hatte. Aber dies-mal war sie vom Kondenswasser ziemlich nass. Naja man lernt nie aus. Das Frühstück war ein wenig dürftig: Nelson hat sich nur einen Tee gemacht, ich habe zusätzlich auf einem trockenen Brötchen rumgekaut und auf Nachfrage dann doch noch eine Scheibe Käse dazu bekommen. Um 2 Uhr sind wir losgestiefelt. Obwohl der Parinacota eigentlich ein sehr kalter Berg ist mit oftmals eisigen Winden, ist es heute fast mild. Ich habe über dem Fleecepulli lediglich die GoreTex-Jacke und die dünnen Handschuhe an. Bis auf eine Höhe von 5300m, die wir nach einer Stunde erreichen, gehen wir ohne Steigeisen. Ungefähr eine weitere Stunde später machen wir auf etwa 5500m eine kurze Pause. Der stets gleich steile Hang zieht sich ungemein hin und die Nacht scheint endlos. Kurz vor Sonnen-aufgang ist es mir dann doch irgendwann etwas kühl, so dass ich mir die Daunenjacke drüberziehe und von den dünnen Handschuhen auf die dicken wechsele, wobei sich herausstellte, dass man mir zwei rechte eingepackt hat.
Oberhalb von 5700/5800m wurde es dann echt hart. Ich brauche öfters kleine Pausen, stütze mich dabei teilweise auf den Pickel und mache ab und zu sogar die Augen zu und warte darauf, dass „es“ besser wird, d.h. dass ich Energie habe um weiterzugehen. Ich habe kein Kopfweh und mir ist auch nicht schlecht, aber man ist einfach ziemlich neben sich. Inzwischen ist es zwar hell, aber der Gipfel immer noch nicht in Sicht. Man fixiert einen Punkt, den man für den höchsten hält, stapft bis dorthin, schaut auf und hat weiterhin einen endlosen Schneehang vor sich. Der Gipfel scheint ständig wegzurücken; das macht ganz schön mürbe. Die letzten ungefähr 200 Höhenmeter, also ungefähr ab einer Höhe von 6000m, kam noch die Schneewühlerei hinzu. Es hat doch einiges an Neuschnee hingehauen und dieses Jahr ohnehin außergewöhnlich viel Schnee, der noch nicht verfestigt, sondern locker und somit besonders mühsam ist. Nelson hat üble Spurarbeit zu leisten. Aber da ich wirklich alle paar Schritte Pause brauche, hat auch er Zeit durchzuatmen. Selbst vom Erreichen des Kraterrandes bis zum höchsten Punkt haben wir mehrfach Stehen geblieben.
Um Punkt 9 Uhr – also nach 7 Std. Aufstieg – waren wir am 6342m hohen Gipfel - mein höchster Berg überhaupt. Der Blick in den gewaltigen 200m tiefen Krater ist beein-druckend. Wir machen die obligatorischen Gipfelfotos, aber da es gezogen hat, dort keine Pause, sondern uns direkt auf den Abstieg. Auch dieser war alles andere als geschenkt. Abschnitts-weise war der Schnee etwas fester, so dass wir gut vorankamen, aber überwiegend war er weich, tief und und anstrengend. Trotzdem geht es abwärts dann doch immer viel schneller als rauf, so dass wir nach nur knapp 2 Stunden – also Punkt 11 Uhr – wieder am Campo Alto waren.
Und da wollte ich mir schon ein paar Minuten Erholung gönnen. Für 15 Minuten lege ich mich ins Zelt, das von der Sonne jedoch tierisch aufgeheizt ist. Ich war doch ein wenig erschöpft und das anschließende Umziehen, Rucksack packen und Zelt abbauen, war mir alles zu viel. Der Abstieg ins Basislager, wo uns gegen 13 Uhr der Jeep abholte, dauerte zum Glück nur etwa 40 Minuten. Wieder im Dörfchen, sammeln wir die deponierten Sachen ein und beziehen ein paar Häuser weiter unsere einfache Unterkunft, in der wir uns ein Zimmer teilen, in dem wir auch kochen und essen. Von 15 – 17 Uhr habe ich erst mal einen gediegenen Erholungsschlaf abgehalten, der Wunder wirkte.
(Di. 24.4.) Um 7 Uhr gibt es ein gemütliches, leckeres Frühstück. Der Fahrer kam um 8:30 Uhr und damit ½ Std. vor der vereinbarten Zeit. Keine Ahnung, wann wir dann wieder in La Paz waren, aber da stellt sich heraus, dass es eben doch nicht so einfach ist mit dem Erstatten. Juancho wollte mir nur 50 von den insgesamt 700 USD zurückgeben – das wäre rausgeworfenes Geld. Eigentlich wollte ich nach der Tour weiterreisen, jetzt bietet er mir an, nochmal für 2-3 Tage ins Condoriri-Gebiet zu gehen, wobei ich den Transport selbst bezahlen müsste. Und je länger ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher erscheint mir diese Lösung. Denn für 2,5 Tage 700 USD hinzulegen, erscheint mir etwas viel, auch wenn es alles reale Kosten waren mit Transport und Lebensmittel, Führer und Träger, die getreu dem Motto „Vertrag ist Vertrag“ für die vollen 6 Tage bezahlt werden. Nelson begleitet mich netterweise noch ans Hostel, wo ich ihn noch zum Cafe eingeladen habe. Eigentlich kristallisierte sich schon da für mich heraus, dass es eben doch nochmal 2-3 Tage in eine Bergregion geht, die ursprünglich nicht auf meinem Programm stand. Das wird bestimmt schön und ist allemal besser als 50 USD einzustecken und den Bergen vorzeitig den Rücken zu kehren.
Nachmittags bin ich also nochmal ins Bergbüro und habe rausgehandelt, dass Juancho auf die noch offene kleine Restzahlung von umgerechnet ca. 40 Euro verzichtet. So weit bin ich also schon mit meinen Spanischkenntnissen – liebe Cecilia – dass ich knallharte Preisverhandlungen führe ;-)
Meine Erfahrungen am Pariancota waren: höher als 6200m muß es nicht sein. Ich hätte den Gipfel allein – also in Eigenverantwortung – nicht geschafft, denn ich bin Nelson nur hinterher gewackelt. Er hat sich um die Routenführung gekümmert, er hat gespurt, alleine hätte ich das nicht hinbekommen. Für Höhen deutlich über 6000m bin ich nicht geschaffen. Irgendwo bei 5700/5800m wird es echt hart. Das hab ich gelernt, das nehme ich mit.
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Fortsetzung folgt!! Schließlich fehlt ja noch komplett Peru und Ecuador oder gut 4 Wochen... Aber sehr wahrscheinlich komme ich erst wieder in good old Germany zum posten.