Samstag, 21. April 2012

Quebrada de Humahuaca


(Di. 3.4.) Mit dem Taxi zum Busterminal und 12:30 Uhr nach Jujuy losgefahren. Nach knapp zweistündige relativ unspektakulärer Fahrt sichere ich mir ein Ticket für die Weiterfahrt um 16 Uhr und gebe ich die Rucksäcke an der Gepäckauf-bewahrung ab, um lastfrei einen Kurzbesuch des Stadtzentrums machen zu können. Leider haben sowohl die Kathedrale als auch die sehenswerte Kirche zu, die sehr guten Infotafeln, die jeweils davor standen, entschädigten natürlich nur bedingt. Aber das Cabildo ist sehr schön und das sehr repräsentative Gebäude in dem heute die Regionalverwaltung untergebracht ist, konnte teilweise besichtigt werden. Auf dem Rückweg schlendere ich noch über den Mercado del Sur auf dem es alles Nötige und Unnötige und vor allem bunt gemischt zu kaufen gab. Socken und Unterwäsche, neben Gewürzen, Shampoo und sonstigen undefinierbaren Creme-Töpfchen; hier CDs, dort etwas Obst und Gemüse und - nicht zu vergessen - die Tütchen mit den Coca-Blättern. In einem kleinen Laden ein Wasser für die Weiterfahrt gekauft; ich musste die Luft anhalten, so ekelhaft gammelig roch es. Auf der Strasse, wo jeder alles hinschmeißt, liegen und verrotten läßt, hätte ich das ja noch nachvollziehen können, aber in einem Laden...

Meine ursprüngliche Idee war, zunächst bis Tilcara zu fahren, um dort dem archäologischen Museum noch einen Besuch abzustatten und später meine Fahrt nach Humahuaca fortzusetzen. Beim Ticketkauf hatte ich diesen Zwischenstop aber irgendwie vergessen und ein Ticket bis Humahuaca gekauft. Klar, hätte ich auch früher aussteigen und mir für die letzte Teilstrecke einfach ein neues Ticket kaufen können. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Bus eine halbe Stunde Verspätung hatte und die Fahrzeit etwa drei Stunden beträgt, entschloss ich mich durchzufahren und noch im Hellen in Humahuaca anzukommen.

Spektakuläre Fahrt durch die Quebrada Humahuaca.

Nur wenige Kilometer hinter Jujuy steigt die Strasse in seichten Kehren allmählich an. Das Tal ist tief eingeschnitten, hat aber trotzdem einen breiten, teils fruchtbaren und bewirt-schafteten Talgrund; die Seiten ragen dafür um so steiler und sehr hoch auf. Der Betrieb der Bahnstrecke, deren Reste hier und da sichtbar sind, wurde vor ca. 25 Jahren eingestellt, wie mir eine einheimische Mitreisenden erzählt. Das Tal steigt immer weiter an, die Vegetation an den steilen Hängen wird spärlicher, dafür tauchen ein paar Kandelaberkakteen auf. Die Hänge rechts und links leuchten in den unterschiedlichesten Farben. Es gibt also nicht nur den "Cerro de siete colores" in Pumamarca (dazu in einem späteren Beitrag), sondern das gesamte Tal ist von dieser prächigen Vielfarbigkeit geprägt. Die schräge Schichtung der Gesteinsplatten scheint überall dieselbe zu sein und trotzdem sind die Ausblicke aus dem Bus hinter jeder Kurve neu und spannend. Dazwischen liegen einige sehr ursprüngliche Dörfer mit ihren im Adobe-Stil, d.h. aus luftgetrockneten Lehmziegeln erbauten Häusern. Kein Wunder hat die UNESCO dieses Tal als Welterbe der Menschheit deklariert.

Im Gespräch mit meinem französischen Nebensitzer fällt mir auf, dass ich in Spanisch antworte, weil mir ad hoc nichts französisches einfällt. Nicht, dass ich inzwischen besser Spanisch spreche, aber das Französisch ist gerade in den Hintergrund gerückt bzw. steckt in einer Schublade, die aktuell klemmt. Außerdem fange ich an einzelne Passagen der Folklorelieder zu verstehen, die in den Collectivos rauf und runter laufen. "Warum gehst du? Wohin gehst du?" u.s.w. und in 90% der Songs kommt "Corazon" (Herz/Schatz) vor.


Bis Humahuaca hat sich die Landschaft dann auch geändert, wir sind schon fast auf dem Altiplano - die Hochebene - angelangt. Der Talgrund ist immer noch breit, aber eben kontinuierlich angestiegen, so dass die seitlichen Hänge nicht mehr soweit aufragen. Auch der Bewuchs hat sich geändert; es wachsen kaum noch Kandelaberkakteen, sondern nurnoch vereinzelte, kleine Grasbüschel.

19:15 Uhr in Humahuaca gehe ich direkt zum Hostel Humahuacasa, welches mir Juan und Sergio - die beiden Argentinier, die mit mir auf dem Zweitagestrip Cachi-Cafayate waren - empfohlen haben. Dank ihrer Skizze habe ich das Hostel super schnell gefunden und bin gleich wieder los, um mir was zu Essen zu suchen. Im ersten Restaurant, das ich ansteuere, klärt man mich auf, dass ich hier überall erst ab halb neun etwas bekomme. Also schlendere ich noch etwas durch die engen Gassen, die mit dicken runden Wackern gepflastert sind. In der kleinen Markthalle, die gerade schließt, kaufe ich mir noch etwas Obst und Brot für meinen morgigen Ausflug. Außerdem finde ich an einem der Kunsthandwerkerstände so kleine nette mit Sand gefüllte Fläschchen. Auch steige ich die ewig breiten Stufen zum überdimensionierten Monument für die Unabhängigkeit empor.


Schließlich finde ein sehr nettes Restaurant mit Kakteen-holztischen, darauf bunte gewebte Tischsets und Kerzen. Wahrscheinlich wird es überwiegend von Touristen besucht, weil die normalen Restaurants ja eher mit rein funktionalen Tischen und Stühlen ausgestattet und mit Neonröhren beleuchtet sind. Ich entscheide mich wie auch schon in Salta unter den Arkaden der Plaza für Humitas (Maisbrei, der eingewickelt in ein Maisblatt gekocht oder gedünstet wird und leicht süßlich schmeckt) und einen andinen Salat (eine Art Hirse mit Tomaten und Ziegenkäse).

Humahuaca ist ein wirklich putziges Örtchen, welches durchgehend mit großen runden Flusswackern und damit sehr uneben geplastert ist. Ringsum die Adobehäuser (aus luftgetrocknete Lehmziegeln) teilweise weiß gestrichen oder eben "naturbelassen". Insgesamt also ein sehr beschaulicher, verschlafener Ort mit einem sympatischen Flair.

Für den nächsten Tag stelle ich mir den Wecker für 8 Uhr, obwohl der Bus erst um 10:30 Uhr fährt. Gemütliches Frühstück mit aus-nahmsweise mal richtigen Cafe und sogar Butter zur Marmelade und gutem Brot. Die Hostelbetreiber sind wirklich sehr nett. Ich spaziere nochmal durch den Ort, um die urigen Gassen bei Tages-licht zu bewundern und ein paar hübsche Fotos zu schießen. Auch kaufte ich mir ein Ticket für den 10:30 Uhr-Bus, denn die Gruppe aus dem Hostel, wollte mit dem frühen Bus um 8:20 Uhr fahren, kam aber - als ich noch beim Frühstück saß - zurück, weil der Bus bereits voll war.

  
Bemerkenswert war auch die mega lange Schlange vor der einzigen Bank im Ort; ähnliches war mir gestern in Jujuy aufgefallen. Ich vermute mal, das hängt mit dem Zahltag zusammen. Ich befrage dazu einen Polizisten, der erklärt, dass dann alle Leute vom Land in die "Stadt" kommen, um ihr Geld abzuholen. Der schweizer Hostelmitarbeiter hatte sich bei seinem einzigen Bankbesuch lieber schon um 7 Uhr angestellt, obwohl die Bank erst um 9 Uhr aufmacht. Denn da waren nur 10 Leute vor ihm, statt dann später 50 vor sich zu haben. Vielleicht ist auch das der Grund, warum Richtung Iruya 3 Busse eingesetzt werden. Ich hatte gedachte, das ist der Bus ins Nirgendwo mit vereinzelten Fahrgästen, aber weit gefehlt, die 3 Busse waren alle rappel voll. Wahrscheinlich waren die alle ihr Geld holen.

Kurz nach 10 Uhr zum Busbahnhof. Diesmal erstmals mit einem Bus, in dem das Gepäck nicht unten rein kommt, sondern oben aufs Dach. Ein mitreisender Tourist, weist mich darauf hin, dass es ein klein wenig nach Regen aussieht, so dass ich noch meine Regenhülle auspacke, welche aber bei der aller ersten Anwendung überhaupt, gleich mal kaputt geht (Kordel, die nur verknotet ist, geht auf). 10:45 geht es mit kleiner Verspätung los. Kurz hinter Humahuaca kein Bewuchs mehr und nach einer halben Stunde biegt der Bus von der Asphaltstrasse auf die Schotterpiste ab, so dass es fortan etwas gemächlicher vonstatten geht. Hier und da steht ein Esel, der an dem spärlichen fast unmerklichen vertrockneten Grün der Puna rumknabbert. Ich sitze also am Fenster und beobachte, wo die Reise so hingeht. Ich hab wirklich das Gefühl, hier geht es ins Nirgendwo und ich bin sehr gespannt, wo ich am Ende der dreistündigen Fahrt lande.